Feiern ohne Alkohol

Der sechste Hauptsatz des Nitramischen Dekalogs, dem Fundament der gesamten nitramischen Lebensethik, schließt den Genuss und die Verehrung von Alkohol in jeder Form aus – zu jeder Zeit. Daher spielt Alkohol keine Rolle im Leben, auch nicht bei Feiern.

Das Phänomen des „Sektempfangs“ gibt es nicht in Nitramien. Niemand würde dort auf die Idee kommen, steifbeinig und blöde mit Gläsern in der Hand herumzustehen um einen festlichen Anlass zu würdigen. Die Mitte jeder Feier in Nitramien sind Tanz, Musik und Spiel, und nicht etwa Getränkezeremonien. Wenn man also feiern will, spielt man zum Tanz auf, singt, lacht und klatscht, spielt theatralische Geschichten. Wohlgemerkt, man tut dies alles selbst und hört nicht nur passiv dabei zu. Dazu braucht man freie Hände und viel Platz. Nitramische Feste sind sehr lebendig und sehr darauf ausgelegt, dass alle Partygäste kreativ werden können. Sie berauschen durch Kultur die Sinne, nicht mit Drogen.

Umgekehrt sollte man besser nicht auf ein nitramisches Fest gehen, ohne ein Musikinstrument mitzubringen oder wenigstens seine Stimme, oder eine Maske und ein paar kreative Ideen. Passive, ideenlose Festebesucher gelten als absolute Partytöter.

Natürlich gibt es beim Feiern Essen und Trinken, aber sicher nicht als Hauptsache. Getränke für feierliche Anlässe gibt es daher natürlich auch. Man unterscheidet zwischen Nachmittagsfeiern und abendlichen Feiern.

Nationalgetränk für Feiern am Nachmittag ist Grüntee, dazu kommen (oft auch eisgekühlte) Kräutertees und Limonaden in allen möglichen Variationen, besonders aus diversen Minzsorten, ebenso Kakaogetränke, die allerdings meist ohne Milch gereicht werden. Kaffee gilt dagegen als reine Arbeitsdroge für Frühaufsteher und wird höchstens aus Mitleid an müde wirkende Ausländer ausgeschenkt.

Abends lieben es nitramische Partygäste süß, prickelnd und oft scharf. Als besonders festlich gilt „Eldarcordial“, eisgekühlter, mit Quellwasser verdünnter Nektar aus den Blüten des schwarzen Holunders, oder „Dandelis“, ein Getränk aus Löwenzahnblüten. Häufig getrunken wird auch Grenadine, oft scharf gewürzt, beispielsweise mit Nelken, Pfeffer oder mit Ingwer. Ingwersaft selbst dient auch sonst als Grundlage für manch scharfe Erfrischung. Auch „Rosetta“, verdünnter Sirup aus Rosenblüten oder gewürzter Cassis wird bei offiziellen Feierlichkeiten gereicht, das alles meist in weiß kristallenen Karaffen, die in ihrer Anordnung getränkefarblich abgestimmt sind. Aus den Karaffen werden dann die Getränke in Kristallbecher serviert, garniert mit Blüten oder Früchten. Wie auch die sonstige Dekoration wird die Tafel oft mit dem jeweiligen Anlass thematisch abgestimmt.

Selten jedoch kommt Traubensaft auf die Tafel, denn er gilt als anrüchig. Überhaupt sind „alkoholfreie Alkoholgetränke“ verpönt. Nitramiern also alkoholfreien Malzsud oder „Kindersekt“ zu reichen taugt allenfalls als Beleidigung. Ebenso ist es eine Beleidung für Nitramier, sie zu einer Feier einzuladen, wo nur gegessen und getrunken, nicht aber auch selbst musiziert, getanzt, gedichtet oder Theater gespielt wird. Das ist für aufrichtige Nitramier nämlich keine Party, sondern nur besonders öde, eine dekadente Art, seine Lebenszeit zu verschwenden.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, arbeitet am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.