Malerisches Taormina

Die Altstadt von Taormina könnte dem Bilderrausch eines Vedutenmalers ensprungen sein, nur existiert es wirklich und wenn man Treppchen und kleine, verschlungene Gassen nicht scheut, ist es einer der schönsten Orte. (Foto: Martin Dühning)
Die Altstadt von Taormina könnte dem Bilderrausch eines Vedutenmalers ensprungen sein, nur existiert es wirklich und wenn man Treppchen und kleine, verschlungene Gassen nicht scheut, ist es einer der schönsten Orte. (Foto: Martin Dühning)

Kaum ein Ort auf meiner Sizilienreise war malerischer gelegen als Taormina, hoch über der azurblauen Küste des Ionischen Meeres und mit palmenbesäumtem Blick auf Messina, Giardini Naxos und den Ätna. Putzige bunte Häuschen, darunter dutzende kleine Paläste, sind abenteuerlich an die Felsen gebaut.

Panorama auf Taormina und den Golf von Giardini Naxos Richtung Ätna (Foto: Martin Dühning)
Panorama auf Taormina und den Golf von Giardini Naxos Richtung Ätna (Foto: Martin Dühning)

Freilich ist der Ort – nicht nur wegen seiner vielen idyllischen, aber steilen Treppchen – nicht sonderlich barrierefrei. Die Steilwand von 200 Metern über dem Golf von Giardini Naxos überwindet man entweder nur in mörderischen, ungesicherten Eselspfaden oder über die engen Serpentinen, die durch den doch eher ruppig-chaotischen Fahrstil örtlicher Auto- und Busfahrer nicht weniger gefährlich wirken.

Blick von der Promenade auf den 200m tiefer gelegenen Bahnhof und den Golf von Giardini-Naxos (Foto: Martin Dühning)
Blick von der Promenade auf den 200m tiefer gelegenen Bahnhof und den Golf von Giardini-Naxos (Foto: Martin Dühning)

Klugerweise nutzt man auch besser gleich die sehr gute Nahverkehrsanbindung, entweder über die Buslinie Messina-Taormina oder Catania-Taormina. Der Zugbahnhof dagegen liegt unten an der Küste, gesonderte Fahrradwege gibt es nicht, Parkplätze sind im eng an den Fels gebauten Taormina eher Mangelware. Am besten erreicht man Taormina per Linienbus und geht dann zu Fuß.

Die Altstadt von Taormina könnte dem Bilderrausch eines Vedutenmalers ensprungen sein, nur existiert es wirklich und wenn man Treppchen und kleine, verschlungene Gassen nicht scheut, ist es einer der schönsten Orte. (Foto: Martin Dühning)
Die Altstadt von Taormina könnte dem Bilderrausch eines Vedutenmalers entsprungen sein, nur existiert es wirklich und wenn man Treppchen und kleine, verschlungene Gassen nicht scheut, ist es einer der schönsten Orte, besonders im Frühling, wenn alles bunt erblüht. (Foto: Martin Dühning)
Das heutige Taormina ist eine mittelalterliche Neugründung, die architektonisch aber durchaus noch byzantinische und arabische Einflüsse erkennen lässt - hier der sizilianisch-romanische Palazzo Corvaja. (Foto: Martin Dühning)
Das heutige Taormina ist eine mittelalterliche Neugründung, die architektonisch aber durchaus noch byzantinische und arabische Einflüsse erkennen lässt – hier der sizilianisch-romanische Palazzo Corvaja. (Foto: Martin Dühning)

Die Altstadt von Taormina selbst ist fast reine Fußgängerzone und strotzt nur so von architektonischen Fotomotiven, Kirchen, Museen, Palästen in den unterschiedlichen Epochenstilen, bietet vielen kleine Läden mit der neuesten Designermode, kulinarischen Spezialitäten oder allerlei Krimskrams, der das Touristenherz erfreut und die Koffer füllt. Besonders die Kunstgalerien haben aber einiges zu bieten. Oft nur recht kitschige Aquarelle oder Ölgemälde, manchmal aber auch moderne Kunst und sogar für historische Kupferstiche ist ein Laden zu finden – denn spätestens seit Goethes Sizilienreise wurde Taormina zum Künstlerhort und zu einem Magneten für akademisches, meist gut bezahlendes Publikum. Leider sind die Preise bis heute nicht ohne. Zwar kann anderorts kaum eine  Bar oder ein Hotel mit solch wahrlich paradisischen Aussichten werben und selten ist das Angebot an lokalen Spezialitäten in Speis und Trank so vielfältig, doch auch die Preise haben es manchmal in sich.

Panoramablick von der Kirche San Guiseppe auf die Aussichtspromenade (Foto: Martin Dühning)
Panoramablick von der Kirche San Guiseppe auf die Aussichtspromenade (Foto: Martin Dühning)
Auserlesenes Naschwerk in der Auslage eines sizilianischen Süßwarenladens: Cannoli, Mandelgebäck, kandierte Früchte und allerei Marzipankreationen - Zuckerrausch beim Genuss vorprogrammiert. (Foto: Martin Dühning)
Auserlesenes Naschwerk in der Auslage eines sizilianischen Süßwarenladens: Cannoli, Mandelgebäck, kandierte Früchte und allerei Marzipankreationen – Zuckerrausch beim Genuss vorprogrammiert. (Foto: Martin Dühning)

Eine der Hauptattraktionen von Taormina ist das Theatro Antico, was auf den ersten Blick wie ein griechisches Theater wirkt; die Ziegelsteinbauweise verrät aber recht schnell, dass man hier ein römisch-antikes Bauwerk vor sich hat.

Theatralische Aussichten auf Taormina und den Ätna im Wolkendunst (Foto: Martin Dühning)
Theatralische Aussichten auf Taormina und den Ätna im Wolkendunst (Foto: Martin Dühning)

Tatsächlich wurden hier einst auch keine griechischen Tragödien gespielt, sondern römische Gladiatorenmetzelspiele veranstaltet, wohl sicher aber zutreffend, wie Goethe einst schrieb, vor einer Kulisse, die ihresgleichen sucht:

„Setzt man sich nun dahin, wo ehmals die obersten Zuschauer saßen, so muß man gestehen, daß wohl nie ein Publikum im Theater solche Gegenstände vor sich gehabt. Rechts zur Seite auf höheren Felsen erheben sich Kastelle, weiter unten liegt die Stadt, und obschon diese Baulichkeiten aus neueren Zeiten sind, so standen doch vor alters wohl eben dergleichen auf derselben Stelle. Nun sieht man an dem ganzen langen Gebirgsrücken des Ätna hin, links das Meerufer bis nach Catania, ja Syrakus; dann schließt der ungeheure, dampfende Feuerberg das weite, breite Bild, aber nicht schrecklich, denn die mildernde Atmosphäre zeigt ihn entfernter und sanfter, als er ist.

Wendet man sich von diesem Anblick in die an der Rückseite der Zuschauer angebrachten Gänge, so hat man die sämtlichen Felswände links, zwischen denen und dem Meere sich der Weg nach Messina hinschlingt. Felsgruppen und Felsrücken im Meere selbst, die Küste von Kalabrien in der weitesten Ferne, nur mit Aufmerksamkeit von gelind sich erhebenden Wolken zu unterscheiden.“

– Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise, 6. Mai 1787 (Auszug)

Als ich im Theater weilte, war die Sicht allerdings zu trübe, um bis nach Catania oder Messina zu blicken. Giardini Naxos bis Recanati lag klar vor dem Betrachter, doch bereits der Ätna versteckte sich in leichten Wolken. Schön wäre sicher noch gewesen, einen Sonnenuntergang im Theater zu fotografieren, doch der Eintritt kostet jedesmal 8 EUR und das Theater macht schon recht früh am Abend zu, sodass man daraus einen Sonnenuntergang nicht einfach ablichten kann. Wie schon in Syrakus waren auch hier fleißige Bauhandwerker bei der Arbeit, um die Bühne für die kommende Freilichtspielsaison herzurichten. Heutezutage werden auch in der ehemaligen Arena Theaterstücke gespielt.

Ladenschild mit Sonne - neben der Triskele mit Medusa ein Symbol für Sizilien (Foto: Martin Dühning)
Ladenschild mit Sonne – neben der Triskele mit Medusa ein Symbol für Sizilien (Foto: Martin Dühning)

Doch auch jenseits des Theaters gibt es mancherlei romantische Aussichten, eigentlich kaum einen Flecken in Taormina, der nicht lohnenswerte Einsichten ermöglicht. Obwohl auch schon im April reger Touristenbetrieb herrscht, hat man in Taormina nicht das Gefühl, nur in einer Touristenkulisse umherzuwandern, wohl auch deshalb, weil der Ort zu groß und zu vielgestaltig ist, um eine künstliche Kreation zu sein, wie etwa seinerzeit Costa Teguise auf den Kanaren.

In der Osterzeit ist Taormina auch ein beliebtes Ausflugsziel für italienische Schulklassen. (Foto: Martin Dühning)
In der Osterzeit ist Taormina auch ein beliebtes Ausflugsziel für italienische Schulklassen. (Foto: Martin Dühning)

Auch wird Taormina von lebendigen Menschen bewohnt, die authentisch ihre Lebensart vermitteln, es ist also keine reine Touristenkolonie, dennoch polyglossal. Besonders in Erinnerung blieb mir die Begegnung mit einer – trotz der Hitze – edel in Pelz gekleideten älteren Dame, die mich ausgesucht höflich und mit Flair in gleich fünf Sprachen nach dem Weg fragte. Fast kam ich mir da wie in einem Film aus den 50ziger Jahren vor und es tat mir wirklich leid, dass ich ihr nicht weiterhelfen konnte.

Bunt bemalte Keramiken kann man fast überall in Sizilien erwerben, in Taormina gibt es aber besonders viele Läden mit unterschiedlichen Formen und Stilen, vom schwarzen Porzellanteller bis zur großformatigen, bemalten Terracottafigur. (Foto: Martin Dühning)
Bunt bemalte Keramiken kann man fast überall in Sizilien erwerben, in Taormina gibt es aber besonders viele Läden mit unterschiedlichen Formen und Stilen, vom schwarzen Porzellanteller bis zur großformatigen, bemalten Terracottafigur. (Foto: Martin Dühning)
Zahlreiche Kunstgalerien säumen in den Seitengassen die Wege der Touristen, für jeden Kunstgeschmack ist eine Galerie vorhanden, doch fast alle bieten buntes, farbenfrohes (Foto: Martin Dühning)
Zahlreiche Kunstgalerien säumen in den Seitengassen die Wege der Touristen, für jeden Kunstgeschmack ist eine Galerie vorhanden, doch fast alle bieten buntes, farbenfrohes (Foto: Martin Dühning)

Gerne, hätte ich mehr Geld und einen passenden Packesel gehabt, hätte ich mich mit einem ganzen Service des sehr hübschen und farbenfrohen sizilianischen Geschirrs eingedeckt, begnügte mich allerdings mit einer kleinen Vase und zwei Trinkbecherchen. Das war auch gut so, denn später beim Rückflug sollte man ja sehr ruppig mit dem Koffer umgehen. Die drei hübschen Keramiken kamen trotz allem aber heil an und wurden dann gleich an Anverwandte verschenkt. Außerdem entdeckte ich in Taormina ein besonders herziges Geschäft voll mit kleinen Grinsepüppchen, und kindischerweise konnte ich es natürlich nicht lassen, mir daraus eine kleine, hübsche Sizilianerin mitzubringen.

Knuffige kleine Sizilianerinnen, wahlweise sogar mit lokaler Tracht bekleidet, grinsen den Passanten aus diesem Püppchenladen in Taormina entgegen. (Foto: Martin Dühning)
Knuffige kleine Sizilianerinnen, wahlweise sogar mit lokaler Tracht bekleidet, grinsen den Passanten aus diesem Püppchenladen entgegen. (Foto: Martin Dühning)

Anderes, wie das teure Porzellan, die doch recht kostspieligen historischen Kupferstiche oder die in Massen anzutreffenden bemalten Terracottaköpfe ließ ich links liegen, lediglich ein hübsches Aquarell aus einem Aquarellgeschäft erwarb ich noch. Dabei ging dann doch ein guter Teil meines Taschengeldes drauf. Taormina wird mir ein wunderschönes, aber doch eben auch etwas kostspieliges Pflaster in Erinnerung bleiben.

Über Martin Dühning 1519 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.