„Es gibt keinen Mangel!“

Vizekönigin Luisa Amiratu mit den neuen Straßenbahnwagen für die Linie Ventadorn - St. Margarita (Foto: Rosa Dudelspru)
Vizekönigin Luisa Amiratu mit den neuen Straßenbahnwagen für die Linie Ventadorn - St. Margarita (Foto: Rosa Dudelspru)

Vizekönigin Luisa Amiratu kann ihr fünfzigjähriges Thronjubiläum feiern. Sie blickt zurück auf ein turbulentes halbes Jahrhundert und gibt sich im Zukunftsblick zuversichtlich.

Anastratin.de: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem fünfzigjährigen Thronjubiläum als Vizekönigin. Das ist ein Jubiläum, das vor Ihnen nur wenige feiern konnten.

Luisa Amiratu: Ja, ich bin da schon sehr glücklich. Nur mein Vorgänger, Valens Anthist Palladorian, der 22. Vizekönig von Südninda, hat länger regiert. Und Grund zum Feiern hatte er leider nicht. Er musste große Katastrophen miterleben. Ich hatte Glück, dass es zu meiner Zeit wieder aufwärts ging.

Anastratin.de: Noch ist Ihre Zeit ja nicht abgelaufen. Ihre Untertanen wünschen Ihnen weitgehend, dass Sie noch viele Jahre regieren mögen.

Luisa Amiratu: Ja, das werde ich versuchen. Trotzdem, ich bin nun schon über achtzig, mal sehen, was das Leben noch hergibt. Ein paar weitere Jahre wären aber schon schön. Zumal ich sehr neugierig bin, was aus meinen Kindern noch wird. Damit meine ich nicht nur meine beiden Töchter Thassi und Nuri, sondern natürlich auch die vielen Projekte, die ich mit Kara, Una und Rosa angeleiert habe. Es ist schön, wenn man Städte gegründet hat und ganze Wälder gepflanzt und dabei zuschauen darf, wie sie wachsen. Mit dem Alter lernt man Geduld, das ist schon etwas sehr Schönes.

Anastratin.de: Konnten Sie alle Ihre Träume verwirklichen?

Luisa Amiratu: Na wo denken Sie hin! Da wäre ich ja sehr erbärmlich und einfaltslos, wenn sich in nur fünfzig Jahren alle meine Träume verwirklichen ließen – natürlich habe ich noch viel mehr Träume und Ideen, und so viele Projekte, die ich noch angehen könnte – und womöglich auch werde. Ein Lilasommerfreudeland sind die Vereinigten Provinzen auch noch lange nicht! Dazu haben wir immer noch viel zu böse Nachbarn und zu wenig Verbündete. Außerdem wird es jedes Jahr heißer und trockener, es droht die Versteppung ganzer Provinzen. Das ist der Klimawandel. Am Ende wird Ninda vielleicht eine Wüste sein. Das werden wir wohl nicht verhindern können, aber wir können es hinauszögern in eine möglichst ferne Zukunft. Vielleicht ist das auch die Aufgabe in unserem Leben: Die Welt schön zu halten, so lange wir können. Ewig leben wir nicht, aber wir können mit ganzem Herzen dafür sorgen, dass die Welt ein schöner Ort wird und bleibt zu unserer Zeit!

Anastratin.de: Viele Bewohner der Vereinigten Provinzen von Südninda sind der Ansicht, dass sie – auch Dank Ihnen – in einer guten Zeit leben. Vielleicht in einer der besten in der Geschichte Nindas.

Luisa Amiratu: Das Beste kommt hoffentlich erst noch (lacht), aber ganz richtig: Es gibt keinen Mangel! Ich fand, das gab es auch früher nicht, allerdings lebten wir doch unter sehr bedrückenden Umständen, ließen uns von bösen Mächten das Leben vermiesen. Die bösen Mächte gibt es noch, aber sie haben an Einfluss verloren in dem Maße, wie die Leute hier wieder begonnen haben, ihr Leben selbst zu führen. Wir haben wieder Geld, wir haben wieder Handel, wir haben wieder viel Kultur und vielleicht gibt es auch mal wieder Verbündete, die das zu schätzen wissen – wobei ich sagen muss, das halte ich für zunehmend unwichtig. Von außen kam in der Vergangenheit meist nur Böses nach Nitramien. Wir tun vielleicht gut daran, die große weite Welt draußen zu halten, zumal, wenn Sie da so schauen was da abgeht, dann sollten wir es tunlichst unterlassen, von da wunderliche Dinge zu erwarten, die von dieser Seite bestimmt nicht kommen werden. Aber wir haben keinen Mangel! Ich habe es geschafft, diesen Irrglauben in Nitramien zu beenden, wir würden im Mangel leben, aber die große, weite, gierige Welt da draußen verherrlicht den Mangel. Daraus entsteht viel von dem Unglück, welches die Außenwelt beherrscht: Neid, Eifersucht, Gier, Zorn! Wir sollten das fern halten!

Anastratin.de: Jetzt klingen Sie ungewohnt isolationistisch. Bislang waren Sie doch immer ein Verfechter von Offenheit und Internationalität?

Luisa Amiratu: Ich habe in meiner Amtszeit vielen Völkern Asyl geboten, denken Sie nur an das Volk der Rohanni oder die Mori-Zwerge, für die ich in Hajoida Bleiberechte erhandelt habe oder die vielen Grünfeen-Flüchtlinge aus den Altlanden, die vor dem Genozid nach Kournia flohen und denen wir dort eine neue Heimat eingerichtet haben, wo sie sehr glücklich sind. Auch nach Südninda und Azurea sind viele gute Leute eingewandert. Und Südninda ist weiterhin offen für alle, die guten Herzens sind. Aber das heißt nicht, dass wir keine Bedingungen haben, wenn wir anderen helfen – und eine Grundbedingung ist zuallerst Respekt, Anstand und Offenheit – diese Bedingung haben alle erfüllt, denen wir Obdach gewährten. Wer allerdings dreist und großspurig oder gar raubend in unser Land eingefallen ist in den letzten fünfzig Jahren hat den Zorn der kaiserlichen Legaten zu spüren bekommen, so wie es sich, finde ich, gehört. Und es war nicht zuletzt der Kaiser, der dafür gesorgt hat, dass uns unsere Freunde wieder schätzen und unsere Feinde fürchten. Wir sind wieder stark. Letzteres ist, wie ich zugeben muss, vielleicht nötig, wenn man gut regieren will. Das habe ich früher, vor allem in meiner emolanischen Zeit, anders gesehen. Man kann leider nicht die ganze Welt zum Freund haben. Aber man kann die richtigen Freunde haben und das führt dann dazu, dass man auch entsprechend die Leute zu Feinden hat, die es sich nicht besser verdienen. Und dann stimmt das Gesamt aber doch, es ist in sich stimmig – und das ist letztlich auch gut so.

Anastratin.de: Sie haben sich als Vizekönigin von Anfang an den Ruf erworben, ihre Gegner sehr energisch und unnachgiebig anzugehen.

Luisa Amiratu: Es gibt Dinge, die können Sie nicht ändern, und damit muss man leben. Und dann gibt es Dinge, die sollte man erst gar nicht dulden. Dazu gehören destruktiv ambitionierte Kräfte – und nichts ist finde ich schlimmer als endlos schwelende Streitigkeiten mit uneinsichtigen Leuten in den falschen Ämtern. Deshalb war ich stets recht energisch im Umgang mit Leuten, die meines Erachtens falsch liegen – sowohl, was ihre Ansichten anging, als auch betreffend das Amt, das sie mit ihrem Tun beschädigten. Das mag bisweilen sehr unhöflich rübergekommen sein und ist vielleicht auch nicht immer sehr demokratisch gewesen. Aber als Vizekönigin war es meine Aufgabe, gerecht zu regieren, nicht diplomatisch zu vermitteln wie in meiner Jugendzeit als Botschafterin – und Wahlen musste ich zum Glück auch nie gewinnen. Es ist der Vorteil einer Vizekönigin, dass sie sich nicht verstellen braucht und das Richtige tun kann, ohne irgendwelche Verklausulierungen. Außerdem kam mir in den ersten Jahren sicher zugute, dass Geduld sicher keine Tugend meines Heimatvolkes ist. Das habe ich erst über lange Jahre von den Nitramiern gelernt. Inzwischen kann ich warten, früher war das für mich immer ein Unding. Über die Jahre habe ich auch die heilende Kraft der Hoffnung erlernt.

Anastratin.de: Es gibt viele Bauarbeiter, die Ihnen immer noch eine gewisse Ungeduld attestieren würden. Man sagt, Sie beaufsichtigen säumige Baustellen sogar selbst …

Luisa Amiratu: Nun ja, Baustellen müssen, finde ich, schnellstmöglich fertigwerden, also zumindest sollte so ein Bauprojekt schon in Jahresfrist abgeschlossen sein. Wenn das nicht der Fall ist stimmt irgendwas nicht und ich habe eine natürliche Aversion gegen Dinge, die nicht stimmen. Da muss ich dann einfach nachhaken… (lacht)

Anastratin.de: Das hat dazu geführt, dass keine Vizekönigin vor Ihnen so viele Bauprojekte abgeschlossen hat. Die Liste der Städte, die sie in den letzten fünfzig Jahren neu gegründet oder wiederaufgebaut haben ist lang. Und gleichzeitig gab es noch nie so viele Grünflächen wie während Ihrer Regentschaft.

Luisa Amiratu: Vernünftige Siedlungsplanung und Umweltschutz gehen Hand in Hand. Außerdem bin ich eine Grünfee. Da ist doch klar, dass die Grünflächen zunehmen. Und warten Sie nur ab: Wir haben noch mehr geplant für die kommende Saison – aber das verrate ich natürlich noch nicht (grinst).

Anastratin.de: Da sind wir schon sehr neugierig und werden darüber berichten. Und wir wünschen Ihnen weiterhin Alles Gute!

Luisa Amiratu: Vielen Dank, das kann man immer brauchen. Auch Ihnen eine schöne Zeit!

Das Gespräch führte Nils Kawomba.

Nils Kawomba
Über Nils Kawomba 191 Artikel
Nils Kawomba, ehemals Chefredakteur der NNZ (Neue Nitramische Zeitung), ist unser nitramischer Korrespondent in Ventadorn (Ninda).