Jubiläumsbesuch bei Vizekönigin Luisa

Kara und Luisa im Schnee (Foto: Martin Dühning)
Kara und Luisa im Schnee (Foto: Martin Dühning)

Wir schreiben den Januar des Jahres 361 nach dem sixtinischen Kalender. Vizekönigin Luisa Amiratu kann nun ihr diamantenes Thronjubiläum feiern. Wir haben sie in ihrem Amtssitz Milony Island befragt.

Anastratin.de: Frau Amiratu, Sie sind nun seit genau 60 Jahren die kaiserliche Vizekönigin der Vereinigten Provinzen von Südninda, darüber hinaus Lordprotektorin von Azurea und von Fearne sowie – seit einigen Jahrzehnten – kommissarische Kronregentin der Metropolis von Ventadorn. Außerdem sind Sie Freigräfin von Eldelon und Ehrenmitglied im hohen Arkan der Elben von Jolandin, Ehrenbürgerin der Städte Merinalis und Toska auf Andrasko und die Universität von Sanarth hat Ihnen zuletzt einen Ehrendoktor im Fach Politik verliehen.

Luisa Amiratu: Das sind erfreulich viele schöne Titel – aber ich finde immer noch, nicht Titel und Ämter, und nicht ihre Lebensleistungen machen eine Person aus, sondern ihr Herz und ihr Charakter. Da hoffe ich natürlich, dass ich auch da ein wenig punkten kann, bin mir da aber nicht so sicher…

Anastratin.de: Frau Vizekönigin, Sie haben in Ihren nunmehr 60 Dienstjahren als Vizekönigin der Vereinigten Provinzen von Südninda so manchen Rekord gebrochen – Sie haben die längste Amtszeit aller Vizekönige und auch der meisten Monarchen, die je auf Ninda regiert haben. Sie regieren nicht nur über die zehn Königreiche Südnindas, sondern faktisch auch über Azurea, Fearne und die Metropolis von Ventadorn. Gibt es überhaupt noch etwas, das Sie nicht erreicht haben?

Luisa Amiratu: Danke der vielen Ehre, aber ich bin nicht die mächtigste Monarchin in der Geschichte Nindas – das war ganz unzweifelhaft Kaiserin Sophie die Große. Sie regierte faktisch den gesamten Planeten, nicht nur die nitramischen Teile, und das 745 Jahre lang – bis sie im hohen Alter von 1079 Nindajahren verstarb. Das werde ich niemals erreichen können und sonst wahrscheinlich auch nie jemand anderes. Soviel Kraft und Leben hat hier niemand. Dagegen sehen meine kleinen 60 Regierungsjahre recht kümmerlich aus, zumal ich ja nur kaiserlicher Stellvertreter bin und ich fühle mich mit meinen bald 90 Lebensjahren schon recht alt. Bleiben wir bescheiden: Für einen kaiserlich-nitramischen Beamten und für eine kleine Grünfee kann sich meine Lebensleistung zwar sehen lassen, aber mehr auch nicht.

Anastratin.de: Trotzdem haben Sie mehr Städte gegründet und mehr für die Provinzen getan als sonst ein Nitramier vor Ihnen. Sind Sie darauf nicht stolz?

Luisa Amiratu: (lacht) Tja, und dabei bin ich noch nicht einmal geborene Nitramierin, sondern eingewandert. Ich bin natürlich schon ein wenig stolz, dass ich, als Immigrant aus einem kümmerlichen und geradezu barbarisch anmutenden Stammesverbund namens Emolas, aus dem ich mit nur 17 Lenzen eingewandert bin, ohne große Vorausbildung oder irgendwelche Titel oder Reichtümer, nunmehr als größte und wahrscheinlich auch reichste Vizekönigin von Südninda in die Geschichte eingehe. Es freut mich auch, dass sich meine Geduld und mein Starrsinn ausgezahlt haben – Südninda ist ein hübsches Land inzwischen. Es ist auch ein sehr wohlhabendes Land geworden. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes „stein-reich“. Aber ich bin und bleibe eine Provinznummer, ein Sternchen vielleicht, aber keine Sonne.

Anastratin.de: Sterne sind aber auch Sonnen – und Sie sind auch weit über die Vereinigten Provinzen hinaus bekannt. Ja, manche Leute behaupten sogar, Sie hätten einen internationalen Fan-Kreis.

Luisa Amiratu: Vielleicht mag das sein, und Sie haben ja da sicher auch Ihren Anteil daran, aber mein „Sternenlicht“ strahlt nur begrenzt. Vielleicht stimmt aber auch das Sprichwort: Alleine scheint ein Sternlein am hellsten. Aber ein Stern ist mit dem Sonnenlicht eines hellen Tages nicht zu vergleichen. Ein Stern allein macht es nicht.

Anastratin.de: So ganz alleine waren Sie aber auch nicht – letztlich ist es gerade Ihr Freundes-Netzwerk, dem Sie so manchen Erfolg verdanken können – nicht zuletzt, weil Sie fast überall in Nitramien Freunde haben und darüber hinaus.

Luisa Amiratu: Da haben Sie sicher recht, ich habe ja viele gute Freunde und auch einige Verwandte hier inzwischen. Echte Freunde sind schon etwas sehr Schönes. Echte Freunde sind treu und unterstützen einander. Wenn meine Tätigkeit als Botschafterin von Emolas auch sonst nichts gebracht hat, dafür war es wenigstens gut: Ich habe hier unglaublich viele Leute kennengelernt, konnte erreichen, dass hier Leute mit mir zusammengearbeitet haben, mit mir zusammen etwas aufgebaut haben, die es sonst nicht getan hätten – das sieht man auch im Parlament, wo jetzt meist alle an einem Strang ziehen. Dadurch war es erst möglich, die Provinzen wiederaufzubauen.

Anastratin.de: Macht Sie das nachdenklich, dass der Aufstieg von Südninda im Gegensatz zum Untergang der Altlande von Emolas, Ihrer ehemaligen Heimat, steht?

Luisa Amiratu: Das ist doch kein Gegensatz, denn es hat nichts miteinander zu tun – und was soll ich groß dazu sagen? Geschehen ist geschehen. Es war wohl so gewollt.

Anastratin.de: Wie meinen Sie das?

Luisa Amiratu: Ich habe mich zeitlebens geweigert, an soetwas wie ein unumgängliches Schicksal zu glauben. Und das gibt es auch nicht. Aber manche Dinge geschehen scheinbar unausweichlich, weil die Leute es in ihrem Inneren vorantreiben, darauf hinarbeiten, ob bewusst oder unbewusst. Dann geschieht etwas scheinbar ganz unweigerlich, Ereignisse nehmen ihren Lauf und dann geht auch das schönste Reich vor die Hunde – das ist hier geschehen. Man kann nichts heilen, wenn man keine Heilung will und es gibt keine Zukunft, wenn wir nicht daran glauben wollen. Wie es kam: Es erstaunt mich nicht wirklich, ist trotzdem sehr traurig, aber letztlich kann man ja auch nichts mehr tun. Und es geht mich auch nicht wirklich mehr etwas an. Anderes Thema.

Anastratin.de: Was planen Sie denn noch für die Zukunft als Vizekönigin – oder denken Sie jetzt schon an Ihren Ruhestand?

Luisa Amiratu: Es wäre jetzt für mich wohl gut möglich, in Pension zu gehen. Der Kaiser hat mir ja schon, wie das üblich ist nach Erreichen der Pensionsgrenze, eine diesbezügliche Anfrage geschickt. Aber eigentlich kann ich mir momentan noch gar nicht vorstellen, mich aufs Altenteil zurückzuziehen. Zu tun gibt es auch immer was und die Gefahren sind ja nicht gebannt, die unser Leben hier verdüstern. Ich habe noch so einiges vor: Als erstes Plane ich natürlich ein Fest – einmal für mich und mein Thronjubiläum – aber natürlich auch für König Milony, der jetzt schon sein 70jähriges Thronjubiläum feiern kann. Übrigens ist das auch noch jemand, der länger als ich regiert hat. Wir möchten zusammen ein schönes Turnier veranstalten und ein Fest. Und ich habe natürlich auch nicht vergessen, dass der Bau der Feste von Cair Kastanjis in den vergangenen Sommerjahren noch nicht geklappt hat. Diese Festung brauchen wir aber dringend und ich möchte das eigentlich noch angehen, bevor ich mich zurückziehe und mein Zepter jemand anderem überlasse. Und dann gibt es ja noch die Stadt Athena, die Kara und ich gerade aufbauen. Das wäre jetzt kein wirklich guter Augenblick, meine Krone niederzulegen und meine beste Freundin alles allein machen zu lassen – zumal sie ja auch älter ist als ich. Sie sehen, ich habe noch gut zu tun. Und was ich einmal begonnen habe, das würde ich gerne auch noch vollenden. Das habe ich mir verdient!

Anastratin.de: Sie blicken auf eine lange und wirklich bewegte Zeit als Vizekönigin zurück. Gibt es etwas, was Sie aus Ihrer heutigen Sicht anders machen würden?

Luisa Amiratu: Haben Sie mich das nicht schon mal vor einigen Jahren gefragt? Ich denke: Nein, ich würde wohl wieder so handeln – ich gehöre zu den Leuten, die immer das Beste aus dem machen wollen, was sie gerade haben und das ist mir, finde ich, meist geglückt. Man kann sich natürlich Vergangenes und Zukünftiges wünschen, aber wir müssen immer das Gegenwärtige nutzen, wie das einmal Philippe de Commynes in seinen Memoiren geschrieben hat, der ja auch wie ich Diplomat war, allerdings in sehr viel größerem Rahmen.

Anastratin.de: Werden Sie auch einmal Ihre Memoiren schreiben oder haben Sie das vielleicht schon getan? Da gäbe es immerhin viel zu berichten!

Luisa Amiratu: Ich brauche meine Geschichte nicht selbst zu erzählen, das tun ja schon andere (lacht wieder). Aber ich werde versuchen meinen Teil dazu beizutragen, dass es eine interessante und schöne Geschichte werden wird. Aber ich hoffe natürlich auch, dass sie noch nicht so schnell zuende geht. Ich habe genug Lebenslust für noch ein paar weitere Kapitelchen… (lacht)

Anastratin.de: Frau Amiratu, das wünschen wir Ihnen natürlich auch – und dass wir Sie wieder einmal für ein Gespräch interviewen dürfen.

Luisa Amiratu: (lacht) Vielen Dank, das wünsche ich mir natürlich auch. Haben Sie eine gute Zeit und bleiben Sie gesund! Wir sehen uns dann spätestens beim Fest! …

Das Interview führte Nils Kawomba.

Über Nils Kawomba 175 Artikel
Nils Kawomba, ehemals Chefredakteur der NNZ (Neue Nitramische Zeitung), ist unser nitramischer Korrespondent in Ventadorn (Ninda).