Die Sieben Todsünden

Painted Devil (Foto: IMustBeDead via Pexels)
Painted Devil (Foto: IMustBeDead via Pexels)

Irgendwann einmal fing man an, den Werbeslogan „Geiz ist geil“ für bare Münze zu nehmen und seither haben sich auch die anderen sechs Erzlaster tief in unsere Gesellschaft eingenistet.

Ich würde es nicht wagen zu behaupten, dass frühere Zeiten in Sachen gelebter Werte etwa besser gewesen wären, aber in unserer Konsumgesellschaft feiert so manche Todsünde eine Renaissance, die man nicht für möglich gehalten hätte, teils werden die sieben Erzlaster sogar in wissenschaftlichen Arbeiten – ganz ohne Ironie – als gewinnbringend angepriesen.

Ein Laster ist allerdings eine Neigung, die zum Bösen führt und in den christlichen sieben Erzlastern, im Volksmund „Todsünden“ genannt, konzentrieren sich falsche Grundhaltungen. Wenn man lange genug gelebt hat, findet man sicher genug Lebensbeispiele dafür, was Laster bei Menschen und vor allem in ihrem erweiterten Umfeld anrichten. Todsünden heißen so, weil sie in besonderer Weise dazu geeignet sind, Übles hervorzurufen insbesondere durch ihre Fähigkeit, auch Sekundärtugenden und sogar andere Werte völlig zu verderben.

1. Hybris

Selbstkrönung (Foto: Mike Bird via Pexels)
Selbstkrönung (Foto: Mike Bird via Pexels)

In der Bibel gilt die Hybris als die erste Sünde, also der Wille, besser sein zu wollen, insbesondere besser als andere, sich über andere zu erheben. Ich weiß ein Lied davon zu singen, wie einem Menschen, die so denken, wenn man sie in seinem Umfeld hat, das ganze Leben verderben können. Zwar trifft das Sprichwort „Stolz ist die erste Leiterstufe auf dem Weg nach unten“ nahezu immer zu, man wird nie wirklich besser oder erfolgreicher durch Selbstüberhebung, doch neigen stolze Menschen dazu, ihr Umfeld mit sich in die Tiefe zu reißen, denn man meint ja, besseres zu verdienen als andere. Aus dem Übermut heraus sind schon manche Katastrophen passiert, denn „Übermut tut selten gut“, wie ein anderes Sprichwort weiß.

2. Neid

Quasi eine Folge von Hybris ist der Neid, der sich daraus ergibt, dass man meint, andere hätten es unverdient besser als man selbst. Und man will dieses unverdiente Glück natürlich nicht hinnehmen. Insofern sieht sich der neidische Mensch berechtigt, den vermeintlichen Missstand zu korrigieren, beispielsweise durch Diebstahl, Raub oder, wenn das nicht geht, indem man seinen Mitmenschen zumindest die Freude an ihrem unverdienten Glück verdirbt. Das eigene Leben versauert dabei zwangsläufig, denn wer grün vor Neid ist, der verliert jegliche Charakterreife.

3. Zorn

Zorniger Mann (Foto: Evelyn Chong via Pexels)
Zorniger Mann (Foto: Evelyn Chong via Pexels)

Zorn, nicht zu verwechseln mit Wut, was ein durchaus vernünftiges Gefühl sein kann, was auf Ungerechtigkeiten hinweist, Zorn ist als ungnädige, grausame Grundhaltung dem Selbstwert wie auch der Gesellschaft überaus abträglich. Zornige Menschen leiden mitunter selbst sehr an ihren dunklen Energien. Es macht sie krank, erschüttert sie, sie grollen. Vielleicht wäre Zorn besser übersetzt mit „unbestimmter Groll“, denn selbst der bestimmte, zielgerichtete Groll, den man hegt, wäre ja womöglich behebbar, wenn man einen fairen Ausgleich anstrebt und Vergebung. Zorn als Todsünde meint aber eine uneinsichtige Haltung, eine geladene Anspannung, die leicht in Gewalttätigkeit umschlägt. Denn der zornige Mensch verliert seine Selbstkontrolle und entbehrt somit der Vernunft.

4. Geiz

Mindestens an vierter Stelle in der Rangliste übler Eigenschaften steht für mich der Geiz. Aus ihm ist mir schon viel Schaden entstanden, wenn Menschen, die sich und anderen nichts gönnen, Hilfe verweigern und notwendige Zuwendungen nicht leisten wollen. Meist schadet sich der Geizige durch sein Herumknausern selbst, denn wirklich reich wird man nicht, indem man sich verweigert. Viel mehr führt dies auf Dauer zu innerer und später auch äußerlicher Armut. Daher wirken Geizige oft so armselig – noch armseliger ist aber das, was sie bei anderen anrichten durch unterlassene Hilfeleistung.

Die moderne Form konsumistischen Geizes ist gepaart mit einem anderen Laster, der Habsucht. Weil man möglichst viel haben will ohne viel dafür zu geben missachtet sie die Grundsätze eines fairen Handels und der Nachhaltigkeit. Der moderne Geizhalz des 21. Jahrhunderts ist nicht nur ein verschrobener Knauser wie der Geizige bei Moliere, sondern schlichtweg raffsüchtig – er nimmt sich alles, was er kriegen kann, möglichst, ohne dafür zu zahlen: Raubtierkapitalismus. Darauf basiert die „Kostenlos-Gesellschaft“.

5. Völlerei

Müllberge in Myanmar (Foto: Stijn Dijkstra via Pexels)
Müllberge in Myanmar (Foto: Stijn Dijkstra via Pexels)

Raffsucht, Völlerei und Maßlosigkeit sind Laster, die heute teils sogar als Tugenden gelten, weil sie den Konsum ankurbeln. Ein ständiger Zustand des Gierens ist aber äußerst ungesund, sowohl für den Körper, als auch für den Geist. Völlerei ist eine fratzenhafte Verkehrung der Sehnsucht, die einen Menschen immerhin transzendieren könnte – dagegen ist die Völlerei bloß eine reine Triebbefriedigung, die den Menschen noch unter das Tier setzt, was immerhin noch ein Gespür dafür besitzt, wenn es genug ist.

6. Wollust

Die Wollust ähnelt der Völlerei, ist aber deren Vorstufe – als übersteigertes Verlangen leugnet sie die Würde und den Wert des Objektes, das sie fokussiert – so wird z. B. der Mensch zum Sexobjekt, alles andere instrumentalisiert um das Verlangen zu stillen. Da die Wollust intelligentere, da strategischere Wege geht als die Völlerei, die letztlich nur ein Zustand der Triebbefriedigung ist, ist sie gesamtgesellschaftlich gefährlicher. Ein wollüstiger Mensch wird zur Erreichung seiner Ziele üble Pläne schmieden und ganze Strukturen des Unrechts erschaffen, während die Völlerei eher im Affekt geschieht.

7. Trägheit

Lethargie (Foto: Andrea Piacquadio via Pexels)
Lethargie (Foto: Andrea Piacquadio via Pexels)

Die letzte der sieben Todsünden, Trägheit, lateinisch „Acedia“, ist am schwierigsten zu fassen – obwohl sie mithin das größte Problem heute darstellt. „Trägheit des Herzens“ meint die Einstellung, nichts tun zu können oder zu wollen, mithin kann sie Ignoranz sein oder auch die Taktik, Probleme so lange auszusitzen, bis sie sich von selbst erledigen. Das mag eine Strategie sein, um Energien zu sparen, vielleicht auch, weil unser Lebensstil die Seele entleert. Doch „Acedia“ ist mehr als nur ein Burnout, auch keine Melancholie, sehr wohl aber eine Sinn-Leere. Vielleicht wird einem auch alles zuviel mit den Problemen in der Welt, zumal man ja nichts davon hat. Aber das Ignorieren von Problemen ist in keinem Fall eine moralisch vertretbare Herangehensweise, weil Nichtstun eben auch beinhaltet, das man das Gute NICHT tut. Ignoranz ist das Gegenteil von Courage, die sich beherzt für die Gerechtigkeit einsetzt und am Gefährlichsten für unsere Gesellschaft ist diese Todsünde, weil wir heutezutage Unterlassungssünden gerne übersehen.

Nicht aktiv böse zu handeln bedeutet aber eben gerade nicht, gut und gewissensrein zu sein. Denn das Gute ist das Gute, was man absichtlich tut. Und wieviel Leid gibt es in unserer Gegenwart nur deswegen, weil Menschen einfach wegschauen, obwohl sie die Möglichkeit hätten, Probleme anzugehen.

Eben auch nicht besser ist Defätismus, weil er das Gute unterlässt, angeblich, weil es ohnehin keinen Sinn hätte. Dabei ist das Gute der Sinn an sich, ein Wert, der sich eben nicht allein aus dem Erreichen von Zielen definiert. Wie viel Leid besteht weiter, weil so mancher durch die „Trägheit des Herzens“ nicht das tut, was er könnte.

 

Über Martin Dühning 1519 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.