Träume von einer funktionierenden Eisenbahn am Hochrhein…

Die neue Eisenbahnbrücke überspannt seit dem 23. August die Wutach bei Oberlauchringen (Foto: Martin Dühning).
Die neue Eisenbahnbrücke überspannt seit dem 23. August die Wutach bei Oberlauchringen (Foto: Martin Dühning).

Nachdem endlich alle Freigaben erteilt wurden, soll die Grundsanierung der Hochrhein-Strecke ab September 2025 in die heiße Phase gehen. Schön wäre es, eine Eisenbahn zu haben, die zuverlässig funktioniert. Allerdings wird es erst einmal schlechter werden, bevor es besser wird.

Der Verkehr am Hochrhein und besonders im Landkreis Waldshut erfordert von allen Verkehrsteilnehmern sehr viel Geduld: Denn wenn es sich auch um Provinzlandschaften handelt, herrscht hier beständig das Verkehrschaos einer Großstadt. Es ist schon mehr als Zufall, wie viel verkehrstechnisch rund um Waldshut alles schief läuft – fast jeden Tag: Um den Lonza-Kreisel und auf den Zufahrten zum Zoll legen Lastwagenkolonnen regelmäßig den kompletten Straßenverkehr lahm.

Zwischen Tiengen und Waldshut stauen sich oft kilometerweit Lastwagen auf - wie auch am Mittwoch, den 20. März 2024 (Foto: Martin Dühning)
Zwischen Tiengen und Waldshut stauen sich oft kilometerweit Lastwagen auf – wie auch am Mittwoch, den 20. März 2024 (Foto: Martin Dühning)

Hilfreich ist dabei auch nicht, dass der Verkehrstunnel zwischen Lauchringen und Waldshut gefühlt mehr geschlossen ist, als offen. Abgesehen davon ist es ein Horror, in Waldshut einen Autoparkplatz finden zu müssen. Wie schön wäre es da, wenn die Eisenbahn zuverlässig funktionieren würde: 10 Minuten von Lauchringen nach Waldshut – das wäre eigentlich eine ideale S-Bahnstrecke!

Wenn es denn nur so einfach wäre! Doch seit meiner Kindheit ist die Eisenbahn am Hochrhein ein Sorgenkind. Dazu hatte sicher auch die „Sparpolitik“ vergangener Politikergenerationen beigetragen, die, was Infrastruktur angeht, oft eher eine „Geizhalspolitik“ war. Die Privatisierungsbemühungen bei der Deutschen Bahn haben auch mehr etwas von einer Abwicklung gehabt als von einer innovativen Verkehrspolitik. Man möchte gar nicht genauer beleuchten, wer sich hier auf Kosten des Gemeinwohls alles privat bereichert hat.

Wie auch immer: Folge war auch am Hochrhein, dass Strecken und Stationen rückgebaut wurden, verwaiste Bahnhöfe verwahrlosten. Angeblich mangels Elektrifizierung befahren völlig veraltete Zugsysteme die Strecke, die eigentlich einen sehr viel höheren Wartungsaufwand erfordern würden, als zur Verfügung gestellt wird. Die Folge ist, dass man sich auf die Hochrhein-Bahn nicht verlassen kann, denn tagtäglich fallen Zugverbindungen aus, oft auch, ohne vorherige Ankündigung. Das ist schon miserabel – ganz abgesehen davon, dass die Stationen und Züge am Hochrhein überhaupt nicht barrierefrei sind und die Bahnhöfe Servicewüsten, teils, wie in Waldshut, auch Kriminalitätsbrennpunkte. Waldshut gilt als einer der schmutzigsten Bahnhöfe. Dass die Hochrheinbahn mit Abstand als die schlechteste Strecke in Baden-Württemberg gilt, ist meiner Ansicht nach – leider – mehr als wohlverdient!

Nicht immer geht es am Waldshuter Bahnhof so friedlich zu wie auf diesem Bild ohne Leute (Foto: Martin Dühning)
Nicht immer geht es am Waldshuter Bahnhof so friedlich zu wie auf diesem Bild ohne Leute (Foto: Martin Dühning)

Doch nicht alle gaben die Hochrhein-Strecke verloren – dazu ist sie einfach zu wichtig als Baustein einer vernünftigen Verkehrspolitik des 21. Jahrhunderts. Daher wurde seit Jahren eine Grunderneuerung der Strecke geplant. Sehr zur Freude der verantwortlichen Planer kann nun endlich verkündet werden, dass es mit der Großsanierung endlich losgehen kann, nachdem in den vergangenen Monaten bereits einige Teilsanierungen vorgenommen werden konnten, unter anderem der Neubau der Eisenbahnbrücke in Oberlauchringen – das Highlight des Sommers 2024.

Ich persönlich glaube übrigens nicht, dass die Elektrifizierung der Strecke, wie sie jetzt vorgesehen ist, die Systemprobleme löst – erstens weiß ich aus meiner Zeit in Freiburg, dass auch elektrifizierte Strecken regelmäßiger Wartung bedürfen, da auch Oberleitungen, besonders nach Unwettern, anfällig für Schäden sind. Anders als jetzt, wo man den Zugführern am Hochrhein eine kleine Säge mitgibt, damit sie umgestürzte Äste selbst von den Gleisen entfernen können, braucht die Reparatur einer Oberleitung besondere Fachkräfte.

Das eigentliche Hauptproblem am Hochrhein liegt auch darin, dass die Strecke über weite Teile nur noch eingleisig ist, sodass Störungen auf dem einen Gleis immer den kompletten Verkehr lahmlegen. Dass man am Hochrhein auch völlig veraltetes Zugmaterial einsetzt, verschärft die Lage, ist aber nicht der eigentliche Grund für die vielen Ausfälle. In Wales, wo viele Strecken ebenfalls mit alten Dieseltriebwaren fahren, habe ich seinerzeit erlebt, dass auch dies einigermaßen funktionieren kann, wenn man den Service dann eben deutlich verstärkt. Doch Deutschland ist immer noch eine Service-Wüste, wo man glaubt, Probleme zu lösen, indem man einfach Verordnungen erlässt oder magisch-mystische Wunderlösungen wie „Digitalisierung“ propagiert, was an den eigentlich Problemen vorbeigeht. Die Folgen einer solchen Politik kann man tagtäglich in Waldshut und Umgebung beobachten.

Trotzdem bin ich leicht zuversichtlich, dass sich die Zustände langfristig verbessern werden. Das liegt aber weniger an der Elektrifizierung, als an den Begleitumständen: Die Nadelöhre Tiengen und Lauchringen sollen zu Kreuzungsbahnhöfen ausgebaut werden – sodass hier künftig Züge auf ein Ersatzgleis ausweichen können, statt den kompletten Verkehr zu blockieren. Dafür sollen auch beide Bahnhöfe – wie schon zu meiner Kindheit – wieder einen zweiten Bahnsteig erhalten, diesmal mit barrierefreien Übergängen (per Überführung und Lift). 

Sehr positiv für die Bahnverbindungen wirkt sich auch die Kommunalpolitik im Wutachtal aus, wo die Gemeinden aktiv dafür sorgen, dass diese Seitenstrecke ausgebaut wird – zwar ohne Elektrifizierung, doch ist auch hier eine engere Vertaktung und eine Erneuerung des Zugmaterials geplant – erwogen wird derzeit beispielsweise der Einsatz von Batterietriebwagen, wie sie auch auf den nicht elektrifizierten Teilstrecken in der Ortenau zum Einsatz kommen.

Aber was auf jeden Fall positiv wirken wird, ist, dass man die störanfällige Verbindung Basel – Lauchringen kappt. Faktisch treten hier die am deutlichsten spürbaren Ausfälle auf, weil hier die anfälligsten Triebwagen zum Einsatz kommen und weil diese Züge immer als Erstes gestrichen werden, wenn der IRE (Interregionalexpress) – wie fast immer – Verspätung hat. Künftig soll der Regionalexpress von Basel Badischer Bahnhof nur noch bis Waldshut verkehren, die Strecke von Waldshut bis nach Erzingen übernehmen dann im Wechsel der künftig elektrifizierte IRE, die Wutachtalbahn (bis Lauchringen) und der neu geplante Hochrhein-Bodensee-Express, der von der SBB betrieben wird. Und in diesem liegen meine größten Hoffnungen für eine endlich funktionierende Bahnverbindung, denn hier sollen die in der Schweiz längst bewährten Triebwägen Flirt Evo 4 von Stadler zum Einsatz kommen. Was zweifellos auch besser sein wird, wenn die SBB Züge einsetzt, wird der Service sein. Denn die Schweizer Eisenbahn hat deutlich höhere Qualitätsansprüche an sich selbst als die Deutsche Bahn. (Was vielleicht auch daran liegt, dass es anders als in Deutschland in der Schweiz keine Automobilkonzern-Lobby gibt, deren Interessen es zuwider laufen würde, wenn die Eisenbahn wieder eine ernstzunehmende Alternative würde.)

Bis es allerdings soweit sein wird, im Dezember 2027, droht ab 2026 erst einmal der Totalausfall der Bahnstrecken zwischen Basel und Erzingen. Wer den Schienenersatzverkehr während der Gleisarbeiten bei Lauchringen im Mai 2025 erlebt hat, ahnt, was für ein Chaos da in den Stoßzeiten droht – dank der allmorgendlichen Waldshuter Verkehrskatastrophe beim Lonza-Kreisel. Für mich als Lehrkraft betrifft das zwei Schuljahre, wo noch größeres Chaos herrschen wird bei der Schülerbeförderung und im Pendlerverkehr, als das jetzt schon täglich der Fall ist.

Aber vielleicht, wenn ich das Glück habe, das noch zu erleben, wird es vielleicht irgendwann einmal gut. Irgendwann, nach 2027. Träumen davon kann man immerhin!

Bis dahin wird wohl die einzige zuverlässige Verbindung, die stau- und stressfrei ist, zwischen Lauchringen und Waldshut der Radweg sein.

Über Martin Dühning 1583 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.

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