Vues virtuelles Nachleben

Sailing Away, gerendert mit Vue 2023 (Grafik: Martin Dühning)
Sailing Away, gerendert mit Vue 2023 (Grafik: Martin Dühning)

Nach einer Dämmerphase als hochpreisige ABO-Software ist E-on Softwares 3D-Landschaftskreator Vue nun eingestellt worden. Als Trostpflaster für Kunden darf man die letzte Version nun kostenlos weiterverwenden.

Es ist kein Geheimnis, dass ich ein Feind von ABO-Software bin, denn für nichtkommerzielle Gelegenheitsnutzer lohnt sich dieses Konzept nicht. Insbesondere im privaten Anwendungsbereich vergrault man damit nur Kunden. Ein Beispiel dafür ist der Niedergang der einst hochgelobten 3D-Grafiksoftware Vue. Wie sein älterer Verwandter Bryce hatte sich die Software darauf spezialisiert, Landschaften in 3D zu generieren, die Software war weithin beliebt, selbst in Hollywood-Filmen wie „Fluch der Karibik“ wurde das Programm eingesetzt. Lange Zeit ungeschlagen war Vue, wenn es um das Generieren von 3D-Pflanzen ging.

Vor einigen Jahren, etwa um 2018, änderte sich allerdings das Nutzerkonzept. Hatte man neben professionellen Anwendern bis dahin auch Privatkunden im Visier, orientierte man sich nun stärker an professionellen Kunden und stellte dementsprechend auch die Preispolitik um, und zwar auf ein hochpreisiges ABO-Modell. Das war der Zeitpunkt, an dem diese Software für mich verloren ging. Bis dahin hatte ich die Version Vue Infinite benutzt, hauptsächlich, um private Illustrationen oder solche für die Schülerzeitung Phoenix am Klettgau-Gymnasium zu erschaffen. Viele dieser Bilder finden sich in der unten verlinkten Bildergalerie. Auch mein wohl berühmtestes 3D-Bild, der „kleine Elfenbeinturm von Merlon Drâs“, wurde mit Vue Infinite erstellt.

Kleiner Elfenbeintum von Merlon Drâs (Grafik: Martin Dühning)
Kleiner Elfenbeintum von Merlon Drâs (Grafik: Martin Dühning)

Nachdem Vue zu ABO-Software wurde, musste ich mich nach Alternativen umsehen und fand mit dem DAZ Studio-Plugin „UltraScenery“ von Howie Farkes zumindest für Wälder und Wiesen einen adäquaten Ersatz. Inzwischen wurde Vue aber auch anderweitig übertrumpft: Blender hat sich mit entsprechenden Plugins zu einem sehr viel mächtigeren offenen Tool auch für virtuelle Welten entwickelt, auch die Unreal-Engine von Epic lässt sich, beispielsweise mit TwinMotion, zur Erschaffung von 3D-Landschaften nutzen und rendert zudem wesentlich schneller. Nicht zuletzt wurde auch die 3D-Branche durch den Siegeszug von Bild-KIs erschüttert, die weit weniger Geschick erfordern, um Landschaftsbilder zu kreieren. Darum wohl hat sich der Eigner von Vue, Bentley Software, entschieden, Vue und auch PlantFactory einzustellen.

Vue in der finalen Version 2023 rendert gemächlich das Beispielbild (Screenshot)
Vue in der finalen Version 2023 rendert gemächlich das Beispielbild (Screenshot)

Als kleiner Trost gibt es die letzte fertige Vollversion, Vue 2023, nun als „perpetual“ Version zum Herunterladen, ebenso die Version 2024, die es aber nicht mehr in die finale Fassung geschafft hat. Opensource wird die Software wohl nie werden, denn Bentley Software nutzt die Technologie ja selbst weiter gewinnbringend in ihrer Architektursoftware. Aber damit ist es Vue-Kunden zumindest für die nächste Zeit möglich, ihre Software weiter zu nutzen und vorhandene Projekte wenigstens abzuschließen.

Ich selbst habe Vue in den vergangenen  sieben Jahren kaum noch genutzt, weil, wie gesagt, ABO-Software für mich nicht nutzbringend ist. Allerdings ermöglicht mir das virtuelle Nachleben von Vue immerhin, einige meiner älteren Grafiken endlich nochmal neu zu rendern, denn in den vergangenen sieben Jahren hat ja auch die Hardware deutliche Fortschritte gemacht.

Einige ältere Vue-Grafiken aus der Manufaktur von Nitramica Arts finden sich hier:

Über Martin Dühning 1495 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.