Die Nichtung

Als „Nichtung“ bezeichnet man im Nitramischen Kulturbereich die extremste Maßnahme zur Auslöschung einer Institution, Sache oder Wesenheit. Sie ist anders als das Anathema nicht öffentlich, irreversibel und erfolgt im Unterschied zur Damnatio Memoriae vollständig.

Da die Nichtung allen drei nitramischen Leitgrundsätzen, Kreativität, Toleranz und  Kontinuität, diametral widerspricht und letztlich auch dem der gesamten nitramischen Ethik zugrundeliegenden Wahrheitsgrundsatz zuwiderläuft, soll sie nur im absoluten Notfall angewandt werden, üblicherweise erst dann, wenn Anathema (Bann) oder Damnatio Memoriae (Auslöschung der öffentlichen Erinnerung) bereits mehrmals erfolgt sind und sich als unzureichend erwiesen haben und eine akute Bedrohung für das Gemeinwohl besteht. Sie muss laut Codex Iuris Nitramici durch alle drei nitramischen Leitgremien (Volksversammlung, Kaiser, Censor) einstimmig bestätigt werden und wird dann in höchster Instanz vom Censor selbst durchgeführt. Dem Sachverhalt der Nichtung entsprechend sind keine historischen Präzedenzfälle bekannt, es ist umstritten, ob sie je wirklich angewandt wurde. Vor einer Nichtung erfolgt immer eine dreimalige Androhung der Nichtung, die ebenfalls durch alle drei Instanzen gehen muss. Die Entscheidungen darüber finden in nichtöffentlicher Sitzung statt.

Betrifft die Nichtung einen Sachverhalt oder Informationen zu einer Person, besteht der Hauptunterschied zur Damnatio Memoriae darin, dass die Auslöschung vollständig erfolgt, während bei der Damnatio Memoriae dagegen absichtlich Hinweise auf die Leerstelle zurückgelassen werden, um darauf hinzuweisen, dass etwas entfernt wurde. Theoretisch kann eine Damnatio Memoriae auch nachträglich wieder aufgehoben werden (auch wenn das noch nie vorkommen ist in der nitramischen Geschichte), eine Nichtung dagegen geschieht komplett und irreversibel.

Da eine Todesstrafe in Nitramien völlig undenkbar ist, erfolgt bei der Nichtung einer Person stattdessen der sogenannte „Tod der Persönlichkeit“ – meist durch eine komplette Reprogrammierung der Gedächtnisengramme und genetischen Codes, sodass der Betroffene eine vollständig neue Identität erhält. Diese Ultima Ratio wird nur dann angewandt, wenn von einer Person trotz vorab erfolgter (mehrmaliger) Verbannung eine bleibende Lebensgefährdung ausgeht. Auch dann spricht man nur dann von einer Nichtung, wenn keinerlei Hinweise mehr auf die Person in der Geschichte erhalten bleiben.

Magische Wesen werden, obwohl bekannt ist, dass es auch eine weißmagische Formel für Nichtung gibt, nicht genichtet, sondern theoretisch per Imperion-Zauber unschädlich gemacht, praktisch aber immer in Strukturen gebannt. Ein Beispiel dafür ist der größte Schwerverbrecher der nitramischen Neuzeit, der tyrillianische Nekromant Kyrill Kanderake – obwohl er sicher genug Greueltaten für eine Nichtung beging, wurde er von Templerabt Tamen Elinod „nur“ in den Nymeischen Felsen auf Tyrill gebannt, wo er verblieb, bis der Planet zerstört wurde.

Umgangsprachlich bezeichnet man manchmal auch kaiserliche oder censorielle Interdikte als Nichtung, was allerdings nicht zutreffend ist. Bei einem Interdikt wird ein Sachverhalt juristisch aufgehoben oder eine Institution nur aufgelöst, nicht aber das Wissen darüber ausgelöscht.

 

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, arbeitet am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.