Arcane – eine Perle, nicht nur für Gamer

Jinx aus Arcane, gezeichnet mit Castle Arts Buntstiften (Grafik: Martin Dühning)
Jinx aus Arcane, gezeichnet mit Castle Arts Buntstiften (Grafik: Martin Dühning)

Es ist ein Fest der Sinne, visuell ein Augenschmaus, der Soundtrack ist hochkarätig und die Dialoge teils sprachlich bemerkenswert geskriptet – auch in seiner zweiten Staffel hält „Arcane – League of Legends“ seinen sehr hohen Standard.

Nicht selten habe ich schon bereut, Netflix abonniert zu haben, denn es gibt dort viel unzulänglichen, oberflächlichen Schrott, der nichts weiter als Lebenszeit verschwendet, wenn man sich der Verführung hingibt, dort abendlich zu versumpfen. Doch gibt es unfraglich auch Perlen und eine davon ist die Netflix-Serie „Arcane – League of Legends“. Die ursprüngliche Story drehte sich um die Geschichte der beiden Schwestern Vi und Jinx.

Bemerkenswert ist die Serie schon deswegen, weil sie es schafft, aus einem inhaltlich relativ platten Computerspiel eine Serie zu machen, die auch Nicht-Gamer überzeugt, indem sie wie aus dem Nichts eine tiefgründige Hintergrundstory erschafft und glaubwürdig wie tragisch entfaltet. Auch visuell leistet die Serie künstlerisch Bemerkenswertes – die eigentlich optisch recht stereotypen Game-Charaktere werden zu individuellen Charakteren umgewandelt in einem Setting, was eine Mischung ist aus farbenprächtigem Art-Deko und Steampunk-Gothic mit einem Hauch von Horror und Comic-Noir. Anders als das Original ist die Story der Serie dabei durchaus tiefgründig und komplex und weit weniger stereotypisch, als zu erwarten gewesen wäre. Die Serie Arcane hat einen ganz eigenen Stil, der zwar sichtlich auf 3D-Grafik basiert, aber an keiner Stelle künstlerisch billig wirkt und der in den Folgen so manch optisch überraschende Wandlung durchmacht. Die Serie ist teils bedrückend düster, teils unnatürlich bunt, doch werden auch dann nicht einfach Farben verschleudert, die Optik passt zur Handlung, wandelt sich mit ihr und ist ganz allgemein ein Augenschmaus. Nicht umsonst hat sich darum im Netz inzwischen ein Hype entwickelt. Das Studio Fortiche hat hier ganze Arbeit geleistet!

Auch die nun erschienene zweite Staffel hält das hohe Niveau der Originalstaffel, leidet aber ein wenig darunter, dass mit Silco am Ende von Staffel 1 ein komplexer Bösewicht weggefallen ist, den die neu eingeführten Charaktere nicht ganz kompensieren können. Insofern muss man konstatieren, dass die Staffel 2 inhaltlich nicht ganz die Tiefe der ersten Staffel erreicht, vielmehr versucht man augenscheinlich, die mit dem Ende noch nicht abgeschlossenen Storybögen um Jinx, Vi, Mel, Jayce, Victor und Caitlyn zu einem Ende zu bringen. Die letzten drei Folgen der neunteiligen Staffel 2 verzögern dabei sichtlich den absehbaren Showdown, teilweise hellen sie aber auch die Stimmung auf. Insgesamt folgt die Dramaturgie erstaunlich der Aktführung eines klassischen geschlossenen Dramas. Schade ist, dass Charaktere dabei teils „verbraucht“ werden. Auch wenn man sich durch die Einführung eines Multiversums Cameos offenlässt, ist mit dem Ende von Staffel 2 die Handlung eigentlich verbraucht.

Mir hat besonders das Charakterdesign der Serie gefallen und auch der stilistisch recht vielfältige Soundtrack. Einige der Streitgespräche in den Folgen erinnern an gut geschriebene Theaterdialoge in einer Dichte und ironischen Finesse und Bissigkeit, die man sonst in heutigen Fernsehserien oft vermisst. Allerdings enthält die Serie die im Streamingsektor heutezutage unvermeidlichen Huldigungen an den libertären Zeitgeist. Immerhin passen die lesbischen Beziehungen und ethnischer Multikulturalismus diesmal einigermaßen stimmig ins Setting einer Steampunk-Metropole – und werden nicht wie anderorts anachronistisch in eine Pseudo-Historienserie eingebaut. Auch hält sich die Serie bis zum Schluss weitgehend mit Sexszenen zurück. Blutig ist sie teils aber schon, das ist dem Anime-Genre geschuldet, ebenso wie der Umstand, dass die Charaktere im Verlauf teils Körperteile opfern müssen.

Mein Bruder und ich haben in der Serie übrigens einige Elemente gefunden, die sehr an ein anderes bei uns gerne gespieltes Computerspiel erinnern – nämlich GuildWars. Denn mindestens zwei der Figuren erinnern sehr an Sylvari und Asura. Wer weiß, vielleicht verfilmen die Könner der Arcane-Serie ja auch mal dieses Franchise – es böte immerhin schon von selbst so manche interessante Story.

Über Martin Dühning 1520 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.

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