Mit Bahnhöfen ist es heutzutage so eine Sache. Die real existierenden Bahnhöfe der Gegenwart sind entweder Bauruinen oder Service-Wüsten, aber auch LEGO-Spielzeugbahnhöfe machen aktuell nichts mehr her.
Als ich den neuen LEGO-Hauptbahnhof, Modell 60469 zum ersten Mal betrachtete, war ich schockiert – nicht nur über den dreisten Preis von 90 EUR für 752 Teile, sondern auch über das Modell selbst – denn es sieht aus, als hätte man von einem richtigen Bahnhof eine schmale Scheibe abgeschnitten. Nun waren Lego City Modelle noch nie mehr als Hausfassaden, doch das aktuelle Modell ist noch nicht einmal das. Es ist ein Hohn, das Set „Hauptbahnhof“ zu nennen. Da es sich nur um eine Bahnhofs-Scheibe handelt, ist auch der Bahnsteig viel zu kurz, als dass dort auch nur ein halber Waggon Platz hätte.
Gleichwohl, die Farben sind harmonisch gewählt, das Set enthält sechseinhalb Minifiguren, zwei der neuen Tauben-Figuren und einige trickreiche Spezialteile, beispielsweise die Uhr oder die Teile für den Aufzug (der faktisch ins Nichts führt). Aber ein sinnvolles Gebäude ist das so nicht, man müsste vier Sets kaufen, um aus den Steinen einen dann halbwegs vollständigen Bahnhof zusammenstellen zu können. Tut man dies, wie dies auf Rebrickable.com üblicherweise getan wird, dürften sich dann nette Modelle ergeben, allerdings multipliziert sich dann auch der Preis und man wäre dann bei 360 EUR für einen kleinen, aber immerhin vollständigen Bahnhof. Als Steine-Spender ist das Set viel zu teuer. Gut, man kann auch einfach warten, bis das Modell rabattiert wird, auf Amazon.de kostet das Modell inzwischen auch nur noch 59 EUR, aber auch 4×59 EUR sind noch eine Menge Geld für ein Bahnhofsgebäude.
Mit etwas Wehmut erinnere ich mich an frühere Zeiten, wo die Lego City Bahnhöfe mehr waren als Bahnhofsscheiben oder einfache Bahnsteige, beispielsweise beim Set 4554 von 1991, was ein kompletter kleiner Bahnhof war mit acht Minifiguren, etwa 600 Teilen und damals 72 $ kostete. Das Modell war einer meiner Lieblingsbahnhöfe, weshalb ich sogar die Packung davon aufbewahrte. Dagegen wirken die heutigen Modelle nur stümperhaft.
Es bleibt spannend, wie lange sich LEGO die aktuelle Modellpraxis bei LEGO City noch leisten kann. Inzwischen gibt es viele Alternativanbieter von Klemmbausteinen, die für deutlich niedrigere Preise deutlich ansehnlichere Modell in diesem Setting anbieten. BlueBrixx plant beispielsweise einen modularen Bahnhof, der schon in der Grundbaustufe deutlich mehr hermacht, aber auch andere Anbieter wie Lumibricks (früher FunWhole) erweitern beständig ihre City-Sets mit oft sehr viel hübscheren Modellen.
Wenn man einen Bahnhof von LEGO will, kommt man mit dem gleich teuren Set „Straßenbahn mit Haltestelle“, Nr. 60423 deutlich besser weg – dort sind die Bahnsteige länger und es ist auch gleich eine hübsche rote Straßenbahn dabei.
Dennoch: Langsam mache ich mir wirklich Sorgen um den dänischen Spielzeugkonzern. Noch mögen die Geschäftszahlen ja blendend sein, aber Kinder (und damit neue Kunden) gewinnt man so nicht mehr unbedingt. Was mich an LEGO immer fasziniert hat, war der Baustein-Spaß – und die qualitativen und sinnigen Modelle. Davon ist jenseits des Lizenzengeschäfts und den sehr hochpreisigen Premium-Modellen nicht viel geblieben…
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