Abschied für das alte Gotteslob

Am Tag der heiligen Sophie fand um 19 Uhr in der Kirche Herz-Jesu ein kleiner Werktagsgottesdienst statt. Er schien ganz unscheinbar, gewöhnlich, und doch hatte er etwas besonderes: Ich verabschiedete für mich da alte Gotteslob, das mir nun 32 Jahre treu gedient hat.

Dieses Wochenende soll es in der Seelsorgeeinheit Tiengen-Lauchringen ja soweit sein und das neue Gotteslob soll eingeführt werden. Ich finde die Neuausgabe recht gelungen und sie gefällt mir auch in ästhetischer Hinsicht, was ja nicht ganz selbstverständlich ist. Trotzdem habe ich nicht verstanden, warum das alte Gotteslob in den letzten Jahren so geschmäht wurde.

Am 15.5.2014 wurde das gute alte Gotteslob, das mir in mehreren Exemplaren über 30 Jahre treu gedient hat, von mir feierlich in Pension geschickt. (Foto: Martin Dühning)
Am 15.5.2014 wurde das gute alte Gotteslob, das mir in mehreren Exemplaren über 30 Jahre treu gedient hat, von mir feierlich in Pension geschickt. (Foto: Martin Dühning)

Bereits um die Jahrtausendwende kam bei mir das Gefühl auf, dass sich die Verantwortlichen oft geradezu für das alte Gotteslob geschämt haben und sich deshalb genötigt sahen, bei jeder Gelegenheit eigene kleine Liederbücher zusammenzustellen mit Liedern, die oft besser in eine Kindergartenfeier gepasst hätten als für einen Seniorengemeindegottesdienst. Als Ex-Kantorist, Germanist und Privatkomponist bin ich vielleicht aber auch etwas eigen, jedenfalls gefielen mir die klassischen Choräle aus dem Gotteslob immer besser als so mancher modische Song mit vorhersehbaren Kadenzen und mühsam zusammengeschusterten Holperreimen. Gerade darum bin ich auch über die qualitative Auswahl im neuen Gotteslob sehr erfreut.

Das neue Gotteslob wird in den großen Gottesdiensten am Wochenende in der Seelsorgeeinheit nun feierlich eingeführt. Mein hübsches altes Gotteslob aber habe ich nun mehr oder weniger privat im Werktagsgottesdienst am Donnerstagabend verabschiedet. Wie immer war die Anzahl der abendlichen Gottesdienstbesucher sehr überschaubar, aber immerhin war ein Organist zugegen und ich fand den Rahmen so ohnehin sehr passend. Mir gefallen nämlich aus theologischen Gründen die kleinen, unscheinbaren Werktagsgottesdienste viel besser als überfüllte Feiertagsmessen (womit ich mit diversen Gemeindetheologen in Dissenz stehen dürfte).

Ich muss in den von mir bevorzugten kleinen Gottesdiensten aber immer an das Bibelwort „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind…“ denken, und ich fühle mich da dann Gott viel näher als bei großen, aufwendigen Feiern. Gott ist für mich im unscheinbaren Lichtstrahl der Abendsonne in einem stillen Werktagsgottesdienst eher zugegen als in Pomp und Gloria eines Großevents. Dazu passt auch mein kleines hübsches Gotteslob besser, denn die klassischen Choräle haben für mich einen spirituelleren Gebetscharakter als dreistimmige Popsongs oder aufwendige Kirchenkonzerte. Mein Gotteslob war für mich nie nur eine Liedersammlung, sondern immer auch ein Gebetsbuch. Eigentlich ist Singen für mich ohnehin nur eine andere Form des Betens.

Mein erstes Gotteslob erhielt ich übrigens zu meiner Erstkommunion im Jahr 1984. Damals hatte ich schon zwei Jahre Chorerfahrung in der Hochrheinkantorei und war immer begeistert, wenn ich meine Lieblingschoräle aus der evangelischen Liedtradition auch in der katholischen Eucharistiefeier singen konnte. Seither begleitete es mich treu und als das erste Exemplar im Jahr 1992 völlig zerschlissen war, wurde es feierlich ersetzt und ihm folgten bis heute weitere drei. Das aktuelle Exemplar ist also die vierte Inkarnation des alten Gotteslobes, und so wie das jetzige aussieht, hätte es mir wohl noch fünf Jahre gehalten, würde es nun nicht durch die Neuauflage ersetzt werden. Ich hatte es lieb. Natürlich habe ich nicht alle seine Inhalte gleichermaßen geliebt, war aber wirklich überglücklich, dass nahezu alle meine Lieblingslieder ins neue Gotteslob übernommen wurden.

Zum Abschied für mein altes Gotteslob wurden am 15.5.2014 in Herz-Jesu zuletzt ein paar Maienmarienlieder gesungen, wobei es schwer auszumachen ist, was denn nun wirklich DAS Abschlusslied für das alte Gotteslob war. Denn der Abendgottesdienst in der Unterlauchringer Kirche ging fließend in eine Maienandacht über, bei der sehr lange geschwiegen wurde – sodass man fast sogar sagen könnte, das Ende war Schweigen.

Nun ja, vielleicht ist ein solches „Verklingen“ in der abendlichen Stille ganz passend als Ausklang für ein Gotteslob. Das letzte mit der Orgel intonierte Lied war jedenfalls die Nr. 585 „Lasst uns erfreuen herzlich sehr…“, das ganz am Schluss der Maiandacht von den wenigen Verbleibenden noch, ohne Orgel, angestimmte Lied war die Nr. 594 „Maria, dich lieben ist allzeit mein Sinn“. Beide Choräle finden sich auch im neuen Gotteslob, weshalb sie am Tag der heiligen Sophie 2014 wohl nicht zum letzten Mal in Herz-Jesu gesungen worden sind.

Mein altes Gotteslob aber wandert nun ins heimische Archiv, wo auch seine Vorgänger verweilen, denn sakrale Gebrauchsgegenstände werfe ich nicht weg. Zudem sind die alten Gotteslobe für mich Erinnerung an lange Zeiten gelebten Glaubens und somit ein Teil meiner Biografie.

Über Martin Dühning 1420 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, arbeitet am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.