Zufällige Synergien

Ein nahezu verlassener Schluchsee im Zwilicht eines nahenden Gewitters am 18. Mai 2016 (Foto: Martin Dühning)
Ein nahezu verlassener Schluchsee im Zwilicht eines nahenden Gewitters am 18. Mai 2016 (Foto: Martin Dühning)

Manchmal, so im Halbschlaf an langweiligen Tagen, fallen einem seltsame Übereinstimmungen mit Fremden auf. Dann denkt man nur still „ach ja, so geht das auch“, und dabei bleibt es dann.

In schicksalsgläubigeren Zeiten hätte man noch an ein geheimes Netz von Fügungen geglaubt, an Bestimmung, ja an einen höheren Sinn. Doch heute, wo die Welt nur noch lau dahinfließt, plätschert in seichten Konventionen, sind solche Synergiemuster nur noch „interessant“. Interessant gewiss, aber nicht mehr. Denn was hätte man auch davon, nun, wo das Ende absehbar wird.

Manchmal, in sternklaren Nächten erscheinen uns diese Muster wie Omen, Zeichen, die auf einen Kulminationspunkt hinlaufen, Vorzeichen von etwas, das unausweichlich näher rückt. Mit diesen Synergien im Hinterkopf ergibt manche Intuition aus der Vergangenheit einen neuen Sinn. Und doch geht es uns letztlich nichts mehr an, weil sich die Dinge wie von selbst so arrangieren, wie sie das ohne uns auch getan hätten. Wir sind Beobachter, aber keine Akteure mehr. Wir sehen aus zunehmender Entfernung auf etwas hin, was uns immer weniger tangiert. Ein unscheinbares Muster von Fäden, die gleichtaktig in einem unsichtbaren Wind schwingen.

Es sind doch immer wieder faszinierende Momente, in denen man erkennt, wie man so ganz unbewusst mit seiner Intuition recht gehabt hätte. Man erkennt, man begreift: man war sich nicht bewusst, aber irgendwie hatte man es schon vorab GEFÜHLT. In einer Welt, in der nur die Logik zählt, wurde das oft verspottet oder ignoriert, letztlich hatte man auch nichts von dieser Intuition, stieß sie doch wie ein Stachel ins Fleisch selbst in lichteren Tagen, aber dass man irgendwie richtig lag, das erleichtert einem im Rückblick schon so manchen Fehlschlag, auch wenn nun alles zerstört liegt oder verdirbt. Und es beruhigt, wenn man, obgleich von allen anderen, wenigstens von dieser seiner eigenen Intuition noch nicht ganz verlassen ist, weil man immer noch vorherfühlt, was sich ereignet, auch, wenn es einen zunehmend kalt lässt. Für etwas, was nicht logisch herleitbar ist, trägt man nämlich auch keine moralische Verantwortung. So gesehen kann man auch als Kassandra ein halbwegs ruhiges Leben führen. Es ist nämlich doch das Leben der anderen, zumindest zum größten Teil. Man ist wie ein Papierboot im Wind, treibt anmutig in diesem seltsamen Ding namens Leben, doch ohne Steuer. Man lässt sich treiben. Es ist ja egal.

Früher, da haben wir noch gekämpft, umsonst zwar, aber wir waren noch dabei. Heute scheint uns das alles lächerlich, weil es letztlich doch nichts daran geändert hat, dass alles so kam, wie es kommen musste, wie es sich auch ganz sicher ohne unser Zutun ereignet hätte, weil sich letztlich doch alles auf diesen einen Punkt hin bewegt, von A nach B.

Hätten wir nicht ein viel bequemeres Leben führen können, wenn wir uns rausgehalten hätten? Vielleicht, doch gefühlt eigentlich nicht. C wird wohl nun ohnehin nie mehr eintreten und D. verweht im Bewusstsein derer, die ihn ohnehin nicht mehr beachten.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, arbeitet am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.