Ayla – die Weltenfledermaus

Geschichten aus Veamoris, Teil 1

Der Planet Vea (Grafik: Tina Stibbe)
Der Planet Vea (Grafik: Tina Stibbe)

Am Anfang aller Zeit und allen Seins geschah es, dass sich im schwarzen Nichts am Rande des Universums die reinen Essenzen der Natur zu einem Treffen zusammenfanden.

Die Essenzen waren sich sehr zugetan, verspielt und so bildete sich bald ein fröhlicher, Funken sprühender Strudel aus Energien. Alle Essenzen waren gleichermaßen erwünscht und reihten sich fröhlich mit ein. Aus dem Strudel gingen nun viele Welten und blühendes Leben hervor. Es wurden Liebe, Kreativität und Hoffnung, Farbenpracht, Wunder, Freiheit, Toleranz, Träume, Lebenslust, Licht, Freude, aber auch Traurigkeit, Verzweiflung, Schicksal, Unheil, Tod, Eifersucht, Gier und das Dunkel gleichermaßen und ohne Wertung zur Vollendung des Seins in alle Ecken des Universums geschickt.

Zwei Essenzen allerdings waren einander besonders zugetan. Bald tummelten sie sich abseits in wunderschönem Tanze. Dieser Tanz war so mitreißend und anmutig, dass die anderen Essenzen gebannt zu sahen. Es waren die beiden Ayla, das Kreative, und Menon, das Farbige. Es ergab sich daher ein kreativ sprühender Farbentanz, dessen Schönheit in jedem Winkel des Universums zu sehen war. Die Vielfalt und Leuchtkraft der Farben schien dabei kein Ende zu finden und immer wieder ergaben sich neue, wunderbare Mischungen. Es zeigten sich sowohl die bekannten Farben, wie Sonnengelb, Zinnoberrot, Aquamarinblau oder Lichtgrün, aber auch jene, die man heute gar nicht, oder kaum noch kennt, wie Hutzelgrün, Schwärmerrot, Traumbraun oder Wundergrau.

Utsch, das Eifersüchtige, sah dies und überredete das Dunkel, das Verzweifelte und das Unheil die beiden Liebenden auseinander zu bringen. So schickte das Unheil zunächst einen großen Kometen, der Ayla und Menon auseinandertrieb. Menon wurde weit weg geschleudert. Zudem gebar das Dunkel eine so große Finsternis, dass sie sich nicht wieder finden konnten. Das Verzweifelte lähmte Menon, sodass es sich weder rühren, noch seine Farben auf die Suche schicken konnte. Viele Jahre musste es so verweilen, es erstarrte in Trauer, bekam eine runde, harte Hülle einer Kugel gleich, im Inneren eingeschlossen alle Farbenpracht des Universums, die nun für immer verloren schien.

Die vormals unschuldigen Essenzen verfielen ob dieses Frevels zunächst in Streit und bald in wilde Raserei. Feuer sprühte, Stürme tobten, Wasser verschlang, Erde bebte voll des Zornes über den Verrat des Utsch. Nicht wenige der jungen, unschuldigen Welten fielen diesem Streit zum Opfer und vergingen im Nichts. Von da an spalteten sich die Essenzen in Gut und Böse, waren sich dennoch uneins über die Verteilung dieser Seiten und stieben in alle Richtungen auseinander.

Ayla, das Kreative, aber fand Hilfe bei der Essenz Hoffnung. Sie umarmten einander und Hoffnung gab ihm Kraft. Da es immer noch unglaublich Dunkel war, nahm das Kreative die Gestalt einer riesigen Fledermaus an, um sich in der Schwärze zurecht zu finden und den verlorenen Freund zu finden. So flog es viele Jahrtausende, ohne eine Pause, genährt durch die Macht der Hoffnung und der eigenen Kreativität sich neue Mut machende Gedankenbilder zu erschaffen. Endlich gelangte es zu dem erstarrten Ball, der einst sein farbenfroher Freund gewesen war. Es erkannte sofort die Farbenpracht im Inneren, doch die Starre vermochte es nicht zu lösen. Die Kraft der Hoffnung war nach wie vor stark in ihm. Es nahm Menon in seine Arme, um auf sein Erwachen zu warten und mit der Zeit verbanden sich die beiden zu einem farbenfrohen Zwergplaneten und warteten gemeinsam auf die Wiedervereinigung von Kreativität und Farbe in ihrer reinsten Form.

So ist laut der Legende der Planet Vea mit seiner einmalig kreativen und farbenfrohen Tier- und Pflanzenwelt und natürlich mit seinem einzigen Kontinent, dessen Form sehr stark an die einer Fledermaus erinnert, entstanden. Irgendwann so heißt es, werden die beiden Essenzen erwachen, ihren Liebestanz fortsetzen und ihre Schönheit wieder mit allen Welten teilen.

Über Tina Stibbe 3 Artikel
Tina Stibbe alias Malsucht.ti ist unsere Korrespondentin in Köln und Umgebung, ehemalige Chefredakteurin der Schülerzeitung Phoenix am KGT. Neben ihrer Arbeit als Sprachtherapeutin ist sie heute vielfältig künstlerisch und schriftstellerisch tätig und steuert manchmal auch Beiträge zu Niarts Anastratin bei.