Der Elfenkönig und die Witwe

Es gab eine Zeit, lange, lange ist’s her, da lebten noch fesselnde Computerspiele. Das war die Zeit, bevor man Spiele an ihrem Blutgehalt maß oder daran, wieviel teure neue Hardware für ein Abspielen notwendig wird. Die Softwarehäuser waren noch klein und hatten statt reicher Geldgeber Ideen. So ein Spiel konnte dann bleistiftsweise „Legend of Fairghail“ heißen und spielte sich auf dem Amiga auch in den frühen 90er Jahren noch wesentlich überzeugender als auf den damaligen PCs.

Freilich waren Computerspiele damals wie heute eine willkommene Abwechslung von lästigen Hausaufgaben. Und sicherlich lohnte es sich auch, sich darüber lustig zu machen. In Zeiten, wo Spiele wenigstens noch einen Inhalt hatten, ging das auch leichter als heute…

Der Elfenkönig und die Witwe

Die Gefährten kamen nicht weiter:

D

er Elfenkönig, der eigentlich ein Elb war, was er aber nicht kapierte, blieb stur. Findal hatte viel zu viele Verwandte, keiner jedoch kannte ihre Namen. In jener Zeit trug es sich zu, dass eine arme Witwe sieben Söhne hatte, mitten in einer einsamen Einöde. Und als unsere Sieben Helden, allen voran Siegurd, der Rätselhafte, der inzwischen keinem mehr eine Chance gewährte, die Hütte der alten Frau betraten, trafen sie auf sieben Magier, die sich zur Zeit wohl offenbar mit niemandem unterhalten wollten. Nun gut, dachten sich unsere Abenteurer und zogen sich noch einmal zurück. Da aber erblickten sie Irgyn, den fünften Sohn aus dem Hause Yrg, den Hüter der heiligen Suppenschüssel, der Findals jüngster Onkel war; und er sprach: „Zwischen den Lettern auf diesem Bogen und ihrem Inhalt besteht kein Zusammenhang“, und verschwand wieder ebenso plötzlich, als er gekommen war.

Durch solcherlei Worte verunsichert, verspürten unsere Helden einen sanften Lufthauch von hinten, drehten sich um, und – Autsch! – stießen an eine Wand. Wo war die Türe geblieben? Die Witwe hatte sie geschlossen, denn es war kalt und zugig und sie wollte sich nicht schon wieder erkälten. Sie trug den roten Schal von Angora, den der Kaiser in der Schlacht von Agoratzo verloren hatte! „Woher kommt ihr?“ fragte sie die Helden „Setzt euch, es gibt gleich zu essen.“ Unsere Freunde waren völlig verwirrt, und entschlossen sich, zu handeln: Stehli machte Licht, Winfried reparierte alles. TheFalcon hob sein Schwert, Timothin verteidigte sich. Merlin zauberte einen Flammenschlag. Siegurd war völlig mit den Nerven fertig. Die Witwe verkohlte und das Essen brannte an. Aber das kümmerte niemand, denn das Ganze Haus stand nun in Flammen. Der Schlossherr fand seine Orgel nicht mehr und floh. Die sieben Söhne erhoben donnernd ihre Stimme und sprachen: „Zwischen dem Hydranten und der Rettung besteht eine Verbindung in Form eines Schlauches“, stürzten aus dem brennenden Haus und eilten davon. Inzwischen fanden unsere Helden in der untersten Schublade einer Wäschekommode ein Vogelnest und Merlin erhielt es als Gebrauchsgegenstand. Im obersten Fach fanden sie noch siebenundzwanzig Mark und achtundzwanzig Pfennig, die geheimen Ersparnisse der armen Witwe.

Da begegneten ihnen völlig unerwartet sieben Ameisen ersten Ranges und verbrutzelten, denn alles loderte schon lichterloh. Sie betraten eine große Halle, die wohl einmal eine Rumpelkammer gewesen sein musste, denn sie war voller Besen. Da erschien ein Stilzchen und schenkte ihnen einen Ork, dieser aber explodierte, denn alles wurde immer heißer. Hierauf beschlossen unsere Gefährten, erst einmal zu rasten, und schliefen einen Tag lang. In der Nacht bemerkte einer, dass seltsame Gestalten um sie herumzüngelten, offenbar aber nicht den Mut aufbrachten, die Gefährten anzugreifen. Erst am nächsten Morgen bemerkten sie, dass es wohl Flammen gewesen waren, denn alles war niedergebrannt und sie waren auch alle irgendwie tot. Da wurden sie plötzlich und völlig unerwartet von sieben Engelein dritten Ranges überfallen. Diese lehnten es ab, über einen kampflosen Abzug zu verhandeln. Da griffen unsere Gefährten sie an.

Es war eine fürchterliche Schlacht, und überall flogen die Federn. Merlin griff das erste Engelein an und zerriss ihm sein Gewand. TheFalcon packte das zweite Engelein und riss ihm brutal die Flügel aus. Stehli zündete mit seiner Fackel dem dritten Engelchen die Goldlöckchen an. Winfried erschlug zwei Engel mit seinem Schmiedehammer. Da flohen die Engel plötzlich und überstürzt. Siegurd verzweifelte. Jeder erhielt zwölf Bettfedern. Aber da wurde der Himmel auf einmal ganz schwarz und verdüsterte sich und es donnerte und der Strom fiel aus, der Blitz schlug ein und der Computer war kaputt.

Da war Jörg wieder allein. Und völlig unerwartet begegnete ihm ein Matheheft und weigerte sich, über kampflosen Abzug zu verhandeln. Was nun?

Über Martin Dühning 1520 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.