Jeden Tag eine gute Tat…

Sie hatten es wieder vergessen. Da stand es nun, weich, breit, viel zu verlockend: Das größte der vier Sofas, draußen, jenseits der schützenden Pforten, trotz aller Warnungen; den Banden ausgeliefert, die des Nachts um das Gebäude ihr Unwesen treiben würden, wie jedes Wochenende.

Hatte das Möbelstück ein solches Ende verdient in seinem jungen Leben? Aufgeschlitzt, angekokelt oder besudelt zu werden von jenen Wesen, die nur Zerstörung im Sinn hatten?

Andererseits, war dies auch nicht der Gedanke derer gewesen, welche entgegen aller Warnungen immer wieder die Möbel draußen stehen ließen? Einfach so mit allem Müll drumherum? Bei Regen, Wind und Wetter? War es ihnen schlicht egal? Oder hofften sie sogar auf Vernichtung dessen, was doch eigentlich nur für sie gedacht war – warum auch immer?

So waren es dann oft mitleidige Raumpflegerinnen, die nicht nur den Müll und Becher von den Möbeln räumten, sondern, trotz allen Undankes, die Möbel gemeinsam wieder ins Gebäude hieften. Tag für Tag, Woche für Woche, ohne, dass irgendjemand Notiz davon nahm. Im Gegenteil, man lachte darüber. Eine leidige Angelegenheit…

Diesmal jedoch hatten auch sie die Geduld verloren oder hatten es gar übersehen bei all dem Unrat. Und da stand es nun: allein, verlassen, nur in Gesellschaft verschütteter Kaffeebecher und es harrte designiert seinem Ende entgegen, während trübe die Sonne verschwand und der dumpfe Technoklang der dunklen Limousinen näher kam und Übles ahnen ließ.

Drei Unerkannte jedoch, zufällig sich treffend, erbarmten sich des Möbelstücks. Der eine der Musik verschrieben, der andere reuig Computerfehler büßend, die Dritte Biologie vorbereitend. Keiner der drei den Schülern ein Held, keine Chance auf Ruhm oder gar Dank. Doch wohlgesinnt waren sie: Noch nicht, noch nicht sollte es zerstört werden. Einen weiteren Abend Aufschub sollte es haben, das große blaue Sofa.

So hievten die drei das arme Ungetüm durch die Doppeltüren, stöhnend, da alle drei nicht mit Kraft gesegnet. Doch es war geschafft. Zufrieden trennte man sich und ging seiner Wege. Der Dummheit und Faulheit hatte man getrotzt, wenn es auch sinnlos wäre auf Dauer, dennoch: jeden Tag eine gute Tat…

Über Martin Dühning 1440 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, arbeitet am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.