Der Hobbit – ein (un)erwartetes Kriegerepos

Die Neuverfilmung „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ ist, um es kurz zu sagen, zeitgenössische Actionfantasy, technisch perfekt umgesetzt, ein Massenevent, das aus einer Kinderbuchvorlage ein ausladendes Kinoabenteuer für Erwachsene macht.

Angesprochen fühlen dürfte sich davon sicherlich besonders jene Generation von Jugendlichen und Erwachsenen, die mit Fantasy-Computerspielen aufgewachsen sind, und diese werden die Umsetzung von Peter Jackson auch sicherlich rundum gelungen finden:

Hier wird einerseits teils wörtlich aus der Vorlage zitiert und in prächtigen, neo-romantischen 3D-Illustrationen Tolkien so umgesetzt, wie ihn John Howe und Alan Lee schon seit den 70zigern malerisch gedeutet haben.

Klüfte und Schlünde reißen sich vor den Betrachtern in optisch überzeugend virtualisierten 3D-Abgründen auf, in diese purzeln, klettern, stürzen die Protagonisten und schlagen Schlachten in Serie mit so perfekt animierter CGI, dass man echte und virtuell erstellte Kreaturen oft nicht mehr unterscheiden kann.

Die Umsetzung der Schauplätze ist detailverliebt und stilvoll, wenngleich sie auch oft ihr eigenes Œuvre aus der Ringe-Triologie beschwört. Ein nettes, oft plauschiges Wiedersehen gibt es ebenso mit Figuren und Schauspielern aus den Filmvorgängern, die treffend charakterisieren und Kennern viele Anspielungen bieten.

Optisch geradezu ausgeschlachtet wird die Landschaft Neuseelands und Australiens. Peter Jackson beweist Mut und setzt nicht nur Action in Serie, sondern erlaubt sich auch szenische Verlangsamungen: Sei es bei den Landschaftszenen, bei stillen Momenten wie dem Lied der Zwerge am Kamin oder auch bei längeren Dialogszenen wie dem Weißen Rat in Bruchtal oder beim Rätsel-Duell eines Gollum und Bilbo.

Und nach den 169 Minuten hat man mit „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“ nur den ersten Teil einer neuen Trilogie hinter sich.

Nie war Mittelerde breiter und länger, größer und bunter!

So opulent der Film optisch daherkommt, so kann er einen Leser des Originals doch nicht darüber hinweg trösten, dass der Kinderbuch-Charme dem kineastischen Heldenepos großflächig geopfert wurde. Letztlich wird die eigentliche Botschaft Tolkiens, dessen Vorlagen sich über billige Schwarzweißmalerei erhoben, mit einem ziemlich platten, fast fundamentalistischen (da wortwörtlichen) Weltverständnis ersetzt: Eines, das gute und böse Mächte wieder sauber trennt und dessen inhaltliche Message auf die seichte Ebene der StarWars-Saga reduziert. Das fällt deutlich unter das Niveau des Kinderbuch-Klassikers.

Gegen die Verernstlichung hilft der possierlich auftretende Tiermagier Radegast mit seinem süßen Häslein-Rennschlitten ebensowenig wie manch liebevoll umgesetzter Witz in Wort und Situation – der Film betreibt stattdessen einfach wieder heldenmutige Heroisierung im Vorkriegsstile, wo Werte wie „Treue“, „Ehre“ und „Kameradschaft“ die traurige, aber wahre Tatsache übertünchen, dass Kriege und Schlachten nun mal nichts weiter als Mord und Totschlag sind. Der Thorin Eichenschild eines Peter Jackson gleicht nicht nur optisch eher einem Klingonenhauptmann als einem Zwerg: sein Ehrenethos ist das eines leidgeprüften Klingonenkriegers. Die stillen Momente im Film besingen nicht Lebenslust und Schönheit, sondern wehmütiges Heldentum. Drum wurden die Zwergenlieder aus der Buchvorlage übernommen, die lustigen Elbenlieder aber kommentarlos gestrichen. Der Film kommt damit dem Stil der Nibelungensage oder dem Beowulf deutlich näher als das Original, wo eine viel zahmere Zwergentruppe ein recht kindliches und oft possierliches Abenteuer erlebt. Wie „erwachsen“ dagegen erscheinen doch die heimatlosen Kriegerzwerge im Kinoepos!

Traurig ist dabei nicht, dass sich Peter Jackson hier deutlich für eine bestimmte Lesart der Geschichte im Sinne des actionfreudigen Fantasypublikums ausspricht, das vor allem Fantasyrollenspiele wie WarCraft und Epen wie StarWars liebt – womöglich haben beide ihren Ursprung in Tolkien, ersteres ganz offensichtlich, zweiteres versteckter. Traurig ist, dass sich der Film damit nahtlos einreiht in eine nicht endende Reihe von Kinder-, Jugend- und Erwachsenenfilmen, die ihre literarische Vorlage in einer ganz bestimmten Art und Weise simplifizieren, nämlich militarisieren. Was in den 80zigern noch undenkbar schien, dass es gerechte Kriege geben könne, ist längst wieder zum medialen Gemeinplatz geworden und Heldenmut, Kameradentreue und heimattümelnder Nationalpatriotismus wird in den Kinos vielfältig und in den schönsten Farben – und neuerdings ganz in 3D – ausgestrahlt.

Dass sich Originalautor Tolkien mit seinen Werken zwar des beliebten Vorkriegs-Genres eines Prinz Eisenherz & Co bedient, deren promilitärische Aussagen in seinem Werk aber geradezu umdreht, indem er Antikriegshelden wie Bilbo Beutlin oder Frodo oder sogar einen kleinen Hund (Roverandom) in die erste Reihe stellt, das geht damit zu großen Teilen verloren. Da hilft es im Hobbit-Film auch nicht, dass Regisseur Peter Jackson dem weisen Gandalf Antikriegsworte persönlich in den Mund legt – filmisch wiegen die klingonischen Treue- und Ehrebezeugungen eines Thorin Eichenschild viel schwerer und überzeugen den Zuschauer mehr. Und nicht nur er, ausnahmlos jeder Charakter greift im Hobbitfilm zur Waffe und selbst Antiheld Bilbo Beutlin wird im Film schließlich zum gekonnten Wargschlitzer ausgebildet.

So sehr ich mich auch an den bunten, fantasievollen Bildern erfreut habe, die der Film zu Genüge bietet, so sehr ist mir die propagierte Message doch wieder einmal sauer aufgestoßen. Spätere Generationen werden hoffentlich einmal feststellen, dass Peter Jackson hier nur einem vorübergehenden Zeitgeschmack nachgab und in einigen Jahrzehnten werden jüngere Regisseure hoffentlich den Mut und die Größe haben, eine Hobbit-Verfilmung herauszubringen, die das aktuelle „Heldenepos in Serie“ wieder gegen den Strich bürstet. Im weniger erfreulichen Fall wird die Kinoverfilmung durch ihre Größe die literarische Vorlage verschlingen und den Hobbit damit vom Kinderbuchklassiker zum Merchandisingartikel degradieren.

Etwas boshaft kann man noch anmerken: Die gigantische Begeisterung, die der Film fraglos auslöst, zeigt doch, dass sich hier im Gesamtpack mit diversen anderen Fantasyverfilmungen (wie z. B. Narnia) eine komplette Jugend- und Erwachsenen-Generation zunehmend auf Heldentum hin ideologisiert und damit gegen die Fragwürdigkeit aktueller realer politischer Konflikte zumindest medial immunisiert, wenn sie sich nicht gar militarisiert. In Sachen Pazifismus (der immer beim Denken beginnt!) waren wir da schon wesentlich weiter vor fünfundzwanzig Jahren. Damals tat man dergleichen Inszenierungen als bloß pubertär ab. Heute sind sie wieder auf breiter Front gesellschaftlich hoffähig geworden. Damit will ich nichts generell gegen Fantasy sagen, aber doch gegen deren simple Lesart, wie sie für das Massenkino heutzutage wohl fast ausnahmslos das Drehbuch diktiert.

Über Martin Dühning 1436 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, arbeitet am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.

1 Kommentar

  1. sagte am 03.10.2006 um 04:55 Uhr ich hab schon einige filme von jackson gesehen…nicht nur herr der ringe. aber mit king kong hat er bei mir massenhaft minuspunkte gesammelt! der drei stunden film lässt sich gut in drei teile teilen. erste stunde : mega längen und voll doofe dialoge und szenen. die frau hat kein geld und riesen hunger und klaut nen apfel, aber als sie dann zum essen eingeladen wird isst sie knapp ne gabel voll :). bis sie mal endlich bei der insel ankommen, geht es ewigkeiten und ich musste mich oft aufregen. zweite stunde: endlich auf der insel geht der action los. teils wirklich gute special effects. von da her das einzig gute. aber sowas von sinnlos übertrieben hab ich selten gesehen. der kleine king kong metzelt kurz drei t rex nieder, 100te dinos rennen durch ne schlucht und und und. also da geht was ab :). jackson wollte wohl verpasstes vom ersten teil nachholen :). also teil 2 ist nur lächerlich. teil 3: meine mitseher verliesen mich genervt, denn das witzereissen ist uns mit der zeit auch vergangen. naja, den ausgang des films kennt ja wohl jeder. fazit: schlechtester jackson ever. blöde dialoge und szenen und total übertrieben. action und special effects liebhaber kommen nach ner stunde auf ihre kosten.vieleicht kann man mit dem satz:“der film nimmt sich nicht ernst“ den film mit anderen augen sehen.ich schau den film aber bestimmt kaum nochmal und begnüg mich mit allen anderen versionen von king kong.

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