Dieweil ich ANTIalkoholiker bin…

Immer mal wieder wundern sich Leute, dass ich Einladungen scheinbar „einfach so“ ausschlage. Wenn es nicht daran liegt, dass man den Ort oder die Zeit der Veranstaltung mal wieder so legt, dass ich das als passionierter Fahrradfahrer (und Autofeind) sowieso nicht erreichen kann, liegt es fast immer daran, dass sich besagte Einladungen um Alkohol drehen. Und damit ist das Event meinerseits dann so gut wie abgelehnt.

Nun bin ich es gewohnt, dass in unseren Breiten der Alkohol als öffentliche Droge fast zum Pflichtprogramm gehört (darum habe ich auch schon mehrfach abgelehnt, mich als Pfarrgemeinderat oder in andere Ämter aufstellen zu lassen) und obwohl der Zeitgeist in manch anderen Entwicklungen der letzten Jahren mit meinem persönlichen Lebensstil immer kompatibler wurde, trifft dies nicht auf den gemeingesellschaftlichen Umgang mit dem Rauschmittel Nr. 1 zu.

Gemütliche alkoholfreie Literaturcafés oder Teekränzchen gibt es weiterhin nur in meinen Träumen, nicht aber in meinem Kollegen- und Bekanntenkreis. Schlimmer noch: Seit findige Lebensmitteldesigner „Alkopops“ erfanden und damit eine ganze junge Generation zur Berauschung verlockten, ist der Alkohol überall und zu jeder Zeit gegenwärtig, nicht nur bei privaten Festen, die ich noch relativ problemlos umgehen kann. Dass sich langsam Widerstand gegen den allgegenwärtigen Alkohol regt, ist kein Zeichen der Besserung, sondern eher dafür, dass die Exzesse in den letzten Jahren die Grenze des Tolerierbaren auch für nicht ganz so abstinente Menschen wie mich überschritten haben.

Als Fahrradfahrer muss man ja auf dem Radweg von Lauchringen nach Tiengen und zurück inzwischen das ganze Jahr hindurch in jeder Kurve und Unterführung höllisch aufpassen, um nicht in Wodkaflaschenscherben zu radeln und damit seine Reifen zu ruinieren (was mir trotz Vorsicht schon zweimal passiert ist in den letzten 12 Monaten). Am Klettgau-Gymnasium muss der Hausmeister inzwischen jeden Montagmorgen Massen von Flaschenscherben wegkehren, verursacht durch Fremde, die in den Wochenendnächten das Schulgelände für Besäufnisse missbrauchen. Was sich früher auf die Fasnacht konzentrierte, hat nun 12 Monate im Jahr Saison.

All das allerdings sind Missstände, die zweifellos sind und fast jeden in Rage versetzten, der sie nicht selbst verursacht und trotzdem mit ihnen leben muss. Problematischer finde ich dagegen, dass die Alkoholkultur immer weitere Kreise auch in meinen Beruf hinein zieht, sodass ich zwischenzeitlich immer patziger bis grantig reagiere, wenn man mir zu Berufszeiten Alkohol aufdrängt oder sogar ganze Fachschaftssitzungen um Sektverköstigungen oder Weingelage organisiert. Die neue Alkoholkultur am Klettgau-Gymnasium widert mich wirklich an! In dem Falle ist meine Toleranzgrenze dann deutlich überschritten und ich schalte auf zivilen Ungehorsam (sprich: bleibe den konterminierten Veranstaltungen fern).

Dass das auf Unverständnis bei gewissen Kollegen stößt, ist mir egal. Nicht egal sollte es allerdings demjenigen sein, dem an dem Ruf der Schule gelegen ist. Denn von den allgegenwärtigen Sekt- und Weinflaschen in den Lehrerzimmern zeigen sich immer häufiger auch Eltern und Schüler irritiert (zumal wenn man ihnen zeitgleich auf Schulbällen selbige verbietet, was ein gewisser Widerspruch ist). Diese Augenzeugen zählen dann wie ich eins zum anderen, denken sich ihren Teil und sind irgendwann froh, wenn sie weit, weit weg sind.

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Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, arbeitet am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.