Runengesänge

Nordischer Fjord in der Dämmerung (Foto: Monicore über Pexels)
Nordischer Fjord in der Dämmerung (Foto: Monicore über Pexels)

Wardruna heißt ein Musikprojekt um Einar Selvik, Gaahl und Lindy-Fay Hella – und Runaljod ist der Name einer Albentrilogie um das Futhark, die nordische Runenreihe.

Nach den Rezensionen um Kaunan und Forndom, wo sie bereits erwähnt wurden, wird es Zeit, die nordischen Musiker um Wardruna einmal selbst zu thematisieren. Bekannt sind sie einem größeren Kreis dadurch, dass sie bei der populären Serie Vikings beteiligt sind, worauf sie auch stolz in diversen Musikvideos verweisen. Gegründet wurde das Projekt aber bereits 2009 mit der Intention, sich (auch spirituell) der alten nordischen Musik zu nähern.

Das ältere Futhark ist eine Runenreihe, die in mehreren Variationen überliefert ist und – im Unterschied zur meist verlorenen mündlichen keltischen Überlieferung – indogermanische Traditionen ins Heute übersetzt. Aufgrund der vom griechischen Alphabet abweichenden Buchstabenreihenfolge bezeichnet man das Futhark nicht als Alphabet, das ältere Futhark besteht aus 24 Zeichen, die auch einige sprachliche Sonderzeichen enthalten, unter anderem das „Þ“ (th). Für Informatiker ist interessant, dass es bei manchen Überlieferungen mit den „Geheimrunen“ auch eine spezielle Abart der monoalphabetischen Verschlüsselung gibt. Aber auch sonst hat das Futhark Fans bei Mittelalterliebhabern und in der neopaganen Szene. Aus dieser stammen wohl auch die Mitglieder um Wardruna und der Grundgedanke bei ihrem Projekt „Runaljod“ war, alle 24 Zeichen des gemeingermanischen Futhark zu vertonen – aufgeteilt in jeweils acht Runen pro Album, die teils aber mehreren Songs zugeteilt werden. So enthält das erste Album „Runaljod – gap var Ginnunga“ zwölf Tracks, das zweite „Yggdrasil“ immerhin noch zehn und das dritte und letzte Album der Trilogie, „Ragnarok“, elf Tracks. Hintersinn des Projektes war, nordische Klangtradition und Spiritualität wieder lebendig zu machen.

Historisch authentisch ist das allerdings genausowenig wie manch andere moderne „Mittelaltermusik“, klanglich interessant aber, dass Einar Selvik diverse historische Instrumente nachgebaut hat und so längst verlorenen Klängen neues Leben einhauchte. Zudem fließen in die Tracks auch Aufnahmen von Natur- und Landschaftsklängen aus Nordwegen ein, vermengt mit digitaler Tonunterstützung. Musikalisch betrachtet lässt sich die Musik ziemlich eindeutig dem Ambient-Sektor zuordnen – mit sanften Anleihen bei Dark Metall und dem, was man heute „Nordic Folk“ nennt – wobei die Bezeichnung „Folk“ wohl eher auf Wardrunas Vorband Kaunan passt als auf Wardruna, sieht man vom jüngsten Album „Skald“ ab. Bei Wardrunas Runaljod erklingt eher Filmmusik, durchaus neopagan, ob man das dann allerdings schon spirituell nennen will, hängt davon ab, was man bei spiritueller Musik erwartet. Für meinen Geschmack ist der Rückgriff auf Synthesizer doch oft etwas zu prägnant und die Rhythmen etwas zu gefällig.

Sei’s drum, die Musik ist durchaus hörenswert, von der Trilogie Runaljod hat mir das erste Album „Runaljod – gap var Ginnunga“ (2009) musikalisch am besten gefallen, gefolgt vom zweiten Teil, „Yggdrasil“ (2013) – dieses Album kommt allerdings stellenweise arg gewaltig daher, obwohl auch Songs wie „Solringen“ mit ihren Crescendo-Diminuendo-Effekten durchaus reizvoll sind. Mit dem letzten, 2016 erschienen Teil „Ragnarok“ konnte ich am wenigsten anfangen, er leidet etwas unter dem Problem von vielen Dreiteilerabschlüssen – formal irgendwie notwendig, inhaltlich allerdings etwas zu vorhersehbar. Wirklich Neues war so auch nicht mehr möglich, sollten die drei Teile von Runaljod noch zusammenpassen, bei allzu kraftvollem Synthesizer geht aber auch die Besinnlichkeit verloren – vielleicht hat man das auch bei Wardruna so gesehen, denn das 2018 erschienene, jüngste Album „Skald“ geht klanglich neue, viel analogere Wege – dort erscheinen dann auch teils Songs aus Runaljod in neuem, erfrischend einfacherem Gewand – ohne so offensive synthetische Unterstützung und allzuviel Percussion. Mir persönlich gefällt diese Art der Musik besser, für die Publikumsmassen und Filmsoundtracks taugt natürlich eher der bombastischere Stil.

Mehr über Wardruna kann man auf ihrer Webseite erfahren. Eine lesenswerte Rezension zur Band gibt es auch auf laut.de .

Über Martin Dühning 1493 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.