Bankenskandal – Vizekönig lässt Finanzinstitute stürmen

Mit stiller Nacht und goldigem Krutschteln war es dieses Jahr wohl nichts für die Bank von Ninda. In einer offenbar sorgfältig vorbereiteten Aktion ließ der Vizekönig von Südninda in der Weihnachtsnacht die drei Bankfilialen von Sturmtruppen der 10. nitramischen Raumflotte aufbrechen und räumen. Bei dem in der nitramischen Geschichte bislang beispiellosen Vorgang kam Ungeheuerliches zum Vorschein.

Die sonst als eher beschaulich geltende Provinz Südninda auf Monte Regina IV war Schauplatz eines unerhörten Bankenskandals.
Die sonst als eher beschaulich geltende Provinz Südninda auf Monte Regina IV war Schauplatz eines unerhörten Bankenskandals. (Archivbild)

Schon in den vergangenen Monaten hatte es Gerüchte über unübliche Aktionen der Banker gegeben. Aus Kosten- und Rationalisierungsgründen war die Bank vor einigen Jahren vollständig automatisiert worden – die Kunden wurden seither rund um die Uhr von vollautomatischen Banker-Holografien bedient. Mit der hypermodernen holografischen Ausstattung schien in der recht traditionellen Provinz aber nicht jeder Kunde zufrieden. Im Stillen und Geheimen, so munkelte man immer wieder, seien dort „gewisse Transaktionen getätigt worden“, die in einem renommierten nitramischen Bankhaus nicht unbedingt erwartet werden. Die Holografien wirkten „irgendwie anders“ und „manchmal etwas seltsam blutleer“.

Doch die Gerüchte stießen auf taube Ohren bei der örtlichen Justiz, die sich ihrerseits plötzlich sichtlichen Wohlstandes erfreute. Aufgrund einer Sonderklausel im Föderationsvertrag unterstehen die Banken der Provinz Südninda auch nicht der Aufsicht des föderalen Handelsmagistrats oder des nitramischen Civinats. Censorialbeamte haben somit weder Zugriff auf die Konten noch dürfen sie eine Bank betreten. Folglich galt Südninda längere Zeit als Steueroase. Geschäfte jeder Art konnten innerhalb der Mauern einer Bank fast ungehindert ablaufen. Zudem erfreute sich die Bank von Ninda dank sicher steigender Dividenden bei Investoren größter Beliebtheit.

Damit dürfte es nun vorbei sein. Denn was bei der nächtlichen Aktion zum Vorschein kam, entbehrt jeglicher Vergleichsgrundlage: Bei der Räumung der Hauptfiliale fanden die Sternenflottenoffiziere nicht nur eine Menge verloren geglaubter Kunstschätze sowie dazugehörige Leichen (jetzt ehemaliger) Kunden vor, sondern auch eine komplett ausgestattete Folterkammer. In dieser hatten zweifelhaft programmierte holografische Bankangestellte aus säumigen Schuldnern oder unvorsichtigen Aktionären wohl den letzten Batzen Geld heraus pressen wollen. Eventuell sollten damit aber auch potentielle Kritiker der Finanzwelt zum Schweigen gebracht werden, was dank der perfektionierten Anlage wohl vollständig gelang.

Unter den Bankkunden gab es keine Überlebenden. Immerhin gab es bei der Erstürmung der Bankenbastion durch die Raumflotte mangels leibhafter Innwohner keine weiteren Toten. Aber sämtliche holografische Banker wurden zwischenzeitlich gelöscht und die Banking-Hardware zur Sicherheit gleich dreimal formatiert.

Experten schließen aus, dass es sich bei der Angelegenheit um eine Fehlfunktion der Banking-Software oder Folgen eines Hackerangriffs handelte.  „Die Bank war sicher, mehr als sicher sogar, daran lag es nicht. Hier liegt der Fehler tiefer als die Software – wenn Geldwert und Dividende alles sind und aus Kostengründen keinerlei Funken Menschlichkeit mehr vorhanden, dann stimmt halt etwas mit dem ganzen Bankensystem nicht mehr!“, so Elektron Jubalbor Cyrix, leitender Softwarestratege der 10. Raumflotte.

Eine nicht geringe Anzahl von besonders modern-mondän lebenden örtlichen Richtern und Staatsanwälten, welche laut Kontostandsberichten auf der automatisierten Soldliste der Bank von Ninda standen, ließ der Vizekönig zwischenzeitlich in die nicht sehr fortschrittlichen, aber dafür ausgesprochen tiefen und dunklen Verliese der Gezeitenzitadelle werfen.

Wie Vizekönig Thomas Williams und das Raumflottenkommando an die notwendigen Zugangsinformationen gekommen sind, darüber schweigt man sich jedoch aus. Experten bezweifeln eher, dass es etwas mit den angekündigten Finanz-Enthüllungen der Plattform Wikileaks zu tun hat. Insbesondere erscheint rätselhaft, wie bei der Erstürmung des Hochsicherheitstraktes der Quantenverschlüsselungscode der automatischen multidimensionalen Finanzverteidigungsanlage überwunden wurde – eine Technik, die bislang selbst für ausgemachte Kryptografie-Spezialisten als unüberbrückbar galt.

Kein Geheimnis ist dagegen, was mit den real-existierenden Besitztümern der holografischen Ex-Bank geschehen soll. Alle legalen Konten werden in die – übrigens nicht von Hologrammen betriebene – Staatsbank von Ventadorn überführt. Offensichtliche Schwarzgelder und Kunstschätze gehen laut Vizekönig in die provinziale Schatzkammer über, bis die Besitzverhältnisse geklärt seien.

Über Martin Dühning 1438 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, arbeitet am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.