Fluch der Neuzeit

Working without salvation (Foto: Nataliya Vaitkevich via Pexels)
Working without salvation (Foto: Nataliya Vaitkevich via Pexels)

Ein Mantra als Gebetsersatz, mindestens 5x täglich auf unerdenkliche Zeit einzunehmen.

Fluch der Neuzeit

Keiner deiner Tage
wird mehr heilig sein
und kein Ding kein Mensch
stellt sich über dich
dein ICH
ist alles
und in deinem Namen
geschehe die Welt.

Lechzt du jederzeit unbefriedigt
und ohne Ruhe mit mancherlei Vorsätzen
alle brechend mit Ungeduld
in der Sucht nach Neuem
jederzeit
dass jede Änderung in Sehnsucht sei
dass es immer besser werde
dass es immer schneller werde
dass es immer größer höher sich erhebe
kauf dir deine Welt
jedes Glänzige raffend immer ungewiss.

Willst nicht alt werden
willst nicht fremdgeformt aus Angst
weil du die Gestrigen hasst und hast
so doch keine Dauer selbst aus
Furcht vor den Anderen
eilst fort vor den Jüngeren
die dich einholen rennst
sie kommen schon.

Willst noch mehr weil die Anderen
die es auch wollen vielleicht
glücklicher sind meinst du
Glück ist ein Besitz
So soll es sein
reich bist du
doch nie bekommst du genug
du liebst nicht noch
wirst du geliebt
keine Zeit dafür.

Hast nur Angst zu verlieren
Wahrheit gibt es nicht.

Jede Grenze gesprengt
keine Anerkennung für das
was Gesetztes ist
du willst es nicht
es darf nicht sein
es sei nicht mehr
dein Wille
du musst.

Du allein bist der Willige
du allein die Gottheit
jetzt morgen aber
nicht immer
das weißt du noch manchmal.

Eben.

Wiederholst trotzdem
keiner deiner Tage
wird mehr heilig sein
und kein Ding kein Mensch
stellt sich über dich
dein ICH
ist alles
und in deinem Namen
geschehe die Welt.

Und wenn das Ende kommt
bist du alt
und weißt nicht mehr
weiter geht es nicht
weil du nicht mehr kannst
weil du nicht mehr magst
weil es doch nichts bringt
weil nichts darüber hinaus
dein Plunder nichts wert
und deine Träume nur dem Irrsinn
deiner Selbstwerdung geopfert.

Doch um zu Werden muss man sein
gewesen sein und nicht gewesen sein
geworden sein durch andere nicht nur ich
knetbar bleiben durch das Unbekannte
Und geformt aus Ton
wie der erste Mensch
der Andere
der Schuldige
der Gescheiterte
an den du eh nicht geglaubt hast.

* * *

Über Martin Dühning 1436 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau, arbeitet am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.