Virtuelle Charaktere erschaffen

Fantasygesichter, erstellt mit Artbreeder (Grafik: Martin Dühning)
Fantasygesichter, erstellt mit Artbreeder (Grafik: Martin Dühning)

Artbreeder ist ein auf neuronalen Netzwerken basierter Bilderdienst, mit dem sich allerlei Fantasyfiguren zusammenbrauen lassen.

Ich arbeite schon länger daran, fiktive virtuelle Charaktere zu erschaffen, meist mithilfe von DAZ Studio oder anderen 3D-Programmen. Leider dauert die Erstellung damit recht lange, ist komplex und die Ergebnisse gehen dann einerseits meist leider weit über das hinaus, wozu ich sie eigentlich benötige, denn ich drehe ja keine 3D-Filme, andererseits sind sie, auch Jahre nach meiner ersten Kritik, immer noch zu sehr beschränkt in der Vielseitigkeit der Charaktere, zumindest, wenn man etwas anderes als Klischees erschaffen will. Charaktere erschaffe ich meist als Illustration für Rollenspiele (DSA etc.), dort ist ein gemalter Look ohnehin eher erwünscht, einen fotorealistischen Charakter zu erschaffen ist eigentlich nur ein Zwischenschritt für eine Digitalgemälde – und dafür ist der Workflow viel zu langwierig und teuer.

Es gibt ja inzwischen andere Methoden, an künstliche Charaktere zu kommen. Schon länger gibt es neuronale Netzwerke, die Kunst erschaffen können, wie z. B. Prisma, Deep Art Effekts – oder auch Netzwerke, die – meist für die Werbewirtschaft – lebensechte künstliche Gesichter oder Menschen erschaffen, wie man z. B. auf thispersondoesnotexist.com sehen kann.

Ein neuronales Netzwerk, das Bildkunst und Charaktererstellung kombiniert, ist ArtBreeder. Damit kann man nicht nur künstliche Gesichter erschaffen, sondern auch Landschaften oder abstraktale KI-Kunst, bei den Gesichtern funktioniert das aber erstaunlich gut. Mit einem kommerziellen Account (leider nur als ABO) kann man neue Gesichter aus eigenen, selbsterstellten Gemälden schaffen, quasi also KI-generierte Varianten des eigenen Stils und sie in höherer Auflösung herunterladen.

Ein aus Fotos zusammengestückeltes, KI-generiertes Selbstportrait (Kann man es noch Selbstportrait nennen, wenn es KI-generiert ist?)
Ein aus Fotos zusammengestückeltes, KI-generiertes Selbstportrait (Kann man es noch Selbstportrait nennen, wenn es KI-generiert ist?)

Mit dem Probeaccount geht aber auch schon einiges. Jedenfalls erhält man damit doch recht einfach allerlei Inspiration für eigene Malkunst, die man dann mit Stift und Tablet daraus basteln kann. Denn eine gewisse Nacharbeit ist nötig, um die Unschärfen der KI noch zu kaschieren. Man kann auch komplette Charaktere erschaffen, aber spätestens hier ist viel nachträgliche Handarbeit erforderlich. Auf modische Accessoires oder Fantasyspezialitäten wie spitze Ohren, individuelle Narben und Male oder Kopfbedeckungen versteht sich die aktuelle Version von Artbreeder nämlich noch nicht so gut.

Einige Fantasygesichter, erstellt mit ArtBreeder (Grafik: Martin Dühning)
Einige Fantasygesichter, erstellt mit ArtBreeder (Grafik: Martin Dühning)

Interessant ist, dass die KI offensichtlich intern ein 3D-Modell kreiert (oder so eine Art „Vorstellung“ davon hat), denn man kann die Kopfdrehung und Mimik auch variieren, was weit über das hinausgeht, was bloße Morphing-Software schon seit einigen Jahrzehnten vermag.

Es bleibt spannend, wie sich die Software weiterentwickelt. Bald dürfte KI-generierten, auch animierten Figuren nichts mehr im Wege stehen. Man stelle sich ein Online-Rollenspiel vor, wo die KI sämtliche NPC individuell modelliert. Das wäre mal eine willkommene Abwechslung zu den eher langweilig-generischen NPC in so manch einem Computergame.

Über Martin Dühning 1493 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.