Technischer Wandel bei der Schülerzeitung

Der Aufstieg der Computertechnik - Geschichte der Phoenix, Teil 4

In den 90er-Jahren tat sich drucktechnisch viel für die Schülerzeitungen, wovon sie zunächst auch profitierten: Statt der Schreibmaschinenhaue und Tippex-Schlachten taten sich nun die unzähligen Möglichkeiten des „Digital Publishing“ auf.

Wie Schülerzeitungen in den 1970er und 1980ern erstellt wurden, mutet heute geradezu vorsintflutlich an: Man hämmerte die Artikel in die Schreibmaschine (was eine ganz andere Art als das heutige Computerschreiben ist), dann wurden die Artikel mit Schere und Kleber rearrangiert, Korrekturen von Hand vorgenommen. Für die Vervielfältigung gab es noch keine Fotokopierer, sondern Risographen.
Später hielt auch die Computertechnik Einzug zunächst noch zaghaft mit Schneider-Rechnern und Nadeldruckern, bald aber schon fast selbstverständlich mit Personal Computer und Tintenstrahldrucker. Auch Grafikprogramme wurden für Normalsterbliche erschwinglich.

Freilich war die Arbeit am Computer in den 1990er Jahren oft eine Geduldsprobe – dass das Betriebssystem Microsoft Windows 3.1 nach etwa 20 Minuten Arbeit grundsätzlich abstürzte, war eigentlich normal. Das hinderte die Redakteure aber nicht daran, sehr kreativ zu Werke zu gehen. „Aus dem Internet kopieren“ war damals noch nicht. Alles wurde selbst erstellt.

Technischer Wandel bei der Schülerzeitung: In den 1990er Jahren setzte sich DTP-Software für die Layoutarbeit durch.
Technischer Wandel bei der Schülerzeitung: In den 1990er Jahren setzte sich DTP-Software für die Layoutarbeit durch.

Einer der Pioniere der Phoenix, was den konsequenten Einsatz des PC angeht, war Manfred Renner, dessen Covers bis heute unvergessen sind. Damals begann man, auch das Layout der Phoenix am PC zu erarbeiten, zunächst mit Corel Draw, um die Jahrtausendwende später dann mit QuarkXPress und Pagemaker. Für die Phoenix-Arbeit wurde sogar eine eigene Computerschriftart erstellt, welche die Kürzel der Redakteure und die berühmten Phoenix-Schriftzüge enthielt.

"M-Maybe Günthy became ill und couldn't leave the KGT" - eine von vielen witzigen Phoenix-Grafiken der 1990er Jahre
„M-Maybe Günthy became ill und couldn’t leave the KGT“ – eine von vielen witzigen Phoenix-Grafiken der 1990er Jahre

Die zunehmende technische Perfektionierung hatte allerdings auch ihre Kehrseite: Bald schon wich die künstlerische Kreativität dem technokratischen Freaktum, die Nachgeborenen hatten Mühe, bei all den technischen Anforderungen noch eigene Akzente zu setzen – es grassierte schließlich auch bei der Phoenix das berüchtigte Photoshop-Syndrom.

1997 ging die erste Phoenix-Webseite online - zeitgleich mit der ersten KGT-Webseite. Beide wurden von Technik-Pionier Manfred Renner erschaffen.
1997 ging die erste Phoenix-Webseite online – zeitgleich mit der ersten KGT-Webseite. Beide wurden von Technik-Pionier Manfred Renner erschaffen.

Die größte Herausforderung für die Pressearbeit im neuen Jahrtausend war daher, die technischen Hürden abzubauen und das Primat der Kreativität wiederherzustellen. Keine leichte Aufgabe mit der technisch hochgerüsteten Konkurrenz von KGT-Jahrbuch und Webteam! Dennoch – sollte die Schülerzeitung eine Chance haben, gab es keine Alternative: Raus aus den Computerräumen, zurück zu kreativ-anarchischen Redaktionssitzungen in Raum 207, zurück zur zwischenmenschlichen Kommunikation, ja schließlich sogar zurück zu einer Renaissance von Klebstift und Schere bei den neuerlichen Phoenix Gazetten! Was zunächst anachronistisch anmutet, führte dazu, dass die Phoenix-Crew spätestens um 2013/2014 wieder mindestens ebenso kreativ war wie die der 1990er!

Um das Freakmonopol zu brechen musste natürlich auch bei den großen Druckausgaben jegliches Software-Elitedenken beendet werden. Profiprogramme wie Pagemaker und InDesign wurden eingemottet, stattdessen wurde auf allgemein zugängliche Opensource-Lösungen wie OpenOffice (später LibreOffice) zurückgegriffen. Zeichnungen wurden wieder von Hand erstellt und dann erst eingescannt. Wenn schon Technik eingesetzt wurde, dann setzt man nun das Schwergewicht auf die Hardware, beispielsweise in Form von digitalen Spiegelreflexkameras, mit denen unzählige Veranstaltungen am Klettgau-Gymnasium von der Phoenix-Crew für die Nachwelt festgehalten wurden.

Blick auf die preisgekrönte Joomla-Webseite der Schülerzeitung Phoenix, wie sie sich von 2005-2007 präsentierte (Foto: Martin Dühning)
Blick auf die preisgekrönte vollautomatische Joomla-Webseite der Schülerzeitung Phoenix, wie sie sich von 2005-2007 präsentierte (Foto: Martin Dühning)

Während die Redaktionssitzungen wieder „back to the roots“ mit rein menschlichen Mitteln bestritten wurden, begann parallel auch der Aufstieg der Phoenix-Webseite. Sie gab so manchen Artikeln und tausenden Fotos, die es sonst nicht rechtzeitig in eine Druckausgabe geschafft hätten, eine Heimat und Öffentlichkeit. Auch hier allerdings sollte die Technik im Hintergrund stehen, deshalb entschied man sich – lange vor der KGT-Webseite, für ein vollautomatisches CMS, Joomla. Das machte die Webseite so erfolgreich, dass die Phoenix-Webseite dafür nicht nur einen Preis beim Spiegel-Schülerzeitungswettbewerb gewann, sondern die KGT-Webseite die von der Phoenix verwendete Technik übernahm, und sogar noch bis Ende 2016 beibehielt. Qualität setzt sich eben durch!

Über Martin Dühning 1519 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.