Die Kritik in der Schülerzeitung

Von bissigen Glossen und Aprilscherzen

Oft war das Phoenix-Vögelchen lieb und possierlich, aber nicht immer. Manchmal konnte es auch richtig pieksen – beispielsweise bei der Glosse über zerschmetterte Phoenix-Schränke, bei einseitigem Koffeeinverbot für Schüler, Schokoweihnachtsmann-Exzessen oder bei pädagogisch fragwürdigen Zuständen. Das alles zeigte Wirkung, so sehr, dass manchmal die Andeutung zu einem kritischen Schülerzeitungsartikel schon ausreichte, um Missstände am KGT zu beheben.

Anders als die Vorrede denken macht, war die Phoenix bei der Schulleitung unter Herrn Crößmann sehr geschätzt. Sie deutete oft Missstände an, noch bevor sie für andere augenscheinlich waren – und Schulleiter Crößmann hatte ein Ohr für die Belange der Schüler – die Phoenix war eine ihrer Stimmen, wenn auch vieles, was er mit der Redaktion besprach, nie die große Öffentlichkeit erreichte. Dennoch war er sicher einer der gründlichsten Leser der Druckausgaben, vielleicht auch der Phoenix-Webseite. Aber selbst Phoenix-Kritiker schauten seit 2005 häufiger mal genauer hin.

Glibberige Überreste eines Sommerfestes - Beispielfoto aus der Phoenix Nr. 47 (2005/2006)
Glibberige Überreste eines Sommerfestes – Beispielfoto aus der Phoenix Nr. 47 (2005/2006)

Das kam nicht von ungefähr – denn in der Phoenix 47, kurz nach Beginn der Ära Crößmann, fand sich dort auch ein deutlich kritischer Artikel, eine bissige Glosse mit dem Titel „Die Axt im Hause erspart den Zimmermann“, über die mutwillige Zerstörung der Phoenix-Schränke im alten Oberstufenraum durch Oberstufler. Die hatten die Presse-Schränke kurzerhand zu einer Cocktailbar für die Faller-Verabschiedung umgetischlert, wobei das Phoenix-Heftearchiv denkbarerweise übelst Schaden nahm. Im Nachhinein, über die Sommerferien, verrottete der Raum dann auch noch, weil ihn nach dem Fest niemand mehr aufräumte – und Artikel wie auch die von der ganzen Sauerei gemachten Fotos wurden auf die Phoenix-Webseite gesetzt, die daraufhin zur meistgelesenen und unter den betroffenen Oberstuflern meist gehassten Internetseite avancierte. Wie es im Presse-Wesen aber halt so ist, wuchs die Bedeutung des Mediums mit dem Skandal. Im Ergebnis zahlten die Verursacher nach langen Diskussionen eine kleine symbolische Summe und der Förderverein stiftete der Presse-AG freundlicherweise neue, bessere Schränke, wovon auch die Jahrbuch-AG profitierte. Als der Artikel dann ein halbes Jahr später im Druck erschien, waren die neuen Schränke bereits bestellt. Ich rätsle aber manchmal noch, ob diese Sache auch etwas mit dem geradezu reißenden Absatz der Druckausgabe Nr. 47 zu tun hat.

Die Nr. 47 barg mit dem Beitrag „Reden an die Wand“ allerdings noch einen anderen Aufreger-Artikel. Er wurde von Redakteurin Ellen verfasst, die darin eine zwischenmenschlich verfahrene Situation in einer zehnten Klasse schilderte, die durch kollektiven Ungehorsam und Leistungsverweigerung eine Lehrerin zum Weinen und Flucht aus dem Unterrichts brachte – wohl mehr als einmal. Anfangs war der Bericht sehr polemisch, darum bat ich die Schülerin, sich den Artikel doch bitte noch einmal gründlich durchzulesen und zu überlegen, wo die Kritik unnötig, ja verletztend war. Und die Namensnennung der Betroffenen musste auch raus. Diese, stark gemäßigte, abgemilderte und mit einem betont versöhnlichen Ende versehene Fassung sah sich dann auch Schulleiter Crößmann an. Dieser sprach noch weitere aus Schulleitungssicht bedenkliche Stelle an, den Fachbezug, also wurde der Artikel gänzlich anonymisiert, nun war nur noch allgemein von „Unterricht“ die Rede, um ja niemanden bloß zu stellen.

In einer sehr verharmlosten und anonymisierten Fassung und mit deutlicher Angabe der Verfasserin kam der Artikel dann in die Phoenix 47 – und erregte dort unerwartet großes Aufsehen: Denn dadurch, dass der Artikel sich jetzt nicht mehr auf eine konkret zuordenbare Fachlehrerin und Unterrichtssituation bezog, fühlten sich nun gleich vier Lehrkräfte am Klettgau-Gymnasium als die im Artikel genannte Person angesprochen! Drei Frauen und ein Mann beschwerten sich daraufhin vehement bei Schulleitung und Personalrat. Die Schulleitung war sehr überrascht von dem gar nicht so intendierten Bedeutungswandel und bei der Phoenix-Redaktion überlegten wir uns, wie oft Zehntklässler in letzter Zeit wohl noch Lehrkräfte in Nervenzusammenbrüche getrieben hatten? Was für eine Schule war das? Wie gingen Schüler hier mit Lehrern um? Auch Schulleitung und Personalrat waren nicht sehr glücklich, stellten in längeren Gesprächen aber fest, dass die Pressefreiheit auch am KGT gelten darf. Viel anderes ist rechtlich auch nicht zulässig. Gleichzeitig beschlossen einige Lehrkräfte, dass sich am Schüler-Lehrer-Verhältnis am KGT vielleicht etwas grundsätzlich ändern müsse – folgerichtig wurde in der Folgeausgabe dann das Lehrerbild kritisiert. (Einer dieser Artikel findet sich auch noch auf Anastratin.de.)

Ab der Phoenix Nr. 48 (2. Versuch) bestimmten zunehmend eine neue Phoenix-Generation den weiteren Flug des Phoenix: Die Ära von Chefredakteur Jan begann und eine neue Blüte der Schülerzeitung (Foto: Martin Dühning)
Ab der Phoenix Nr. 48 (2. Versuch) bestimmten zunehmend eine neue Phoenix-Generation den weiteren Flug des Phoenix: Die Ära von Chefredakteur Jan begann und eine neue Blüte der Schülerzeitung und der Kampf um den Kaffee-Automaten (Foto: Martin Dühning)
Dominiks unvergessliche Kaffeeautomaten-Sticker lagen jeder Phoenix Nr. 49 bei und wurden bald überall am KGT zu einem Protestsymbol (Foto: Martin Dühning)
Dominiks unvergessliche Kaffeeautomaten-Sticker lagen jeder Phoenix Nr. 49 bei und wurden bald überall am KGT zu einem Protestsymbol (Foto: Martin Dühning)

Einige Jahre später klappte der Umgang mit kritischen Artikeln schon deutlich routinierter. Beim Kampf um den Schüler-Kaffeeautomaten setzte sich die Phoenix für die Schülerschaft ein – mit der markanten Phoenix 49 und Pro-Kaffeeautomaten-Stickern. Etwas später erschien auf der Phoenix-Webseite eine beißende Konsumkritik über die Weihnachtsmanninvasion: „Schöne Bescherung…“ – der Text fand weit über das Klettgau-Gymnasium Verbreitung und war (und ist noch heute) besonders unter Religionslehrern beliebt. Die Anastratin hat ihn später übernommen. Überhaupt erbte Anastratin recht viel vom kritisch-satirischen Stil und übernahm gerne solche Artikel, insbesondere, wenn sie vom AG-Betreuer kamen. Schließlich soll man ja nicht ewig gleich walten.

Was Phoenix-Kritik angeht, etablierte sich die Phoenix von 2006-2012 so wieder als kritische Instanz, die manchmal nur durch die bloße Andeutung, einen Artikel zu veröffentlichen, Einfluss auf die Schulgemeinschaft nahm. So genügte es, der Schulleitung einfach nur ein Foto von der illegalen Absinthaufbereitungsanlage im Oberstufenraum zu zeigen, und der Oberstufenraum wurde „erneuert“. Ein entsprechender Artikel erschien gar nie mehr, was schade ist, denn es war eine durchaus liebevoll gestaltete illegale Absinthanlage, was unbekannte Oberstufler da heimlich im Oberstufenraum konstruiert hatten. Umgekehrt engagierte sich die Phoenix aber auch sonst oft für die Schülerschaft und machte manche Aktion der SMV publik, die sonst verborgen geblieben wäre. Unter Lehrkräften war die Phoenix-Webseite zeitweilig eine geschätzte „zweite Meinung“ zur offiziellen Schulwebseite, denn die Artikel waren etwas objektiver und deutlich weniger „prestigeorientiert“.

Ab und zu war auch der alljährliche Aprilscherz der Online-Phoenix ein Aufreger. Beispielsweise, als die Phoenix-Webseite ankündigte, dass das Klettgau-Gymnasium am 1. April wegen einer „Dihydrogenmonoxid-Verseuchung“ gesperrt werden müsse, oder als einige gutgläubige Schüler auf die großartige Ankündigung einer „Gartenzwergausstellung am KGT“ hereinfielen und statt zu den erhofften Gartenzwergen in den April geschickt wurden. Die Ankündigung von automatischen „Überwachungsdrohnen am KGT“ als weiterer Aprilscherz mag inzwischen fast als visionär angesehen werden, so weit sind wir davon gar nicht mehr entfernt, verärgerte aber dennoch einige Leute. Der Enthüllungsbericht über einen grausigen „Fund keltischer Ritualopfer unter der Mensabaustelle 2012“ war der bislang letzte Phoenix-Aprilscherz-Aufreger. Bis zuletzt brachten die Aprilscherze immer wieder recht lustige Kommentare im Phoenix-Forum oder im Phoenix-Gästebuch ein.

Trotz allem muss ich eingestehen, als dauerhafte Plattform eines ständigen schulischen Diskurses etablierte sich die Phoenix nicht mehr, denn dazu erschienen die Druckausgaben zu selten, und die Phoenix-Webseite konnte sich bei Schülern gegenüber kommerziellen Anbietern wie Hochrhein.Biz (Fotos), Schüler-VZ und später Facebook natürlich kaum behaupten. Und große Missstände gab es zwischen 2003-2013 am Klettgau-Gymnasium ohnehin nicht mehr zu beklagen – da hatten die 1990er Jahre mehr Angriffsfläche geboten rund um den verseuchten alten Pavillon. Im Vergleich dazu waren die Aufreger im neuen Jahrtausend geradezu „Peanuts“.

 

Über Martin Dühning 1503 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.