Vizekönigin von Südninda räumt auf

Milony Island im Februar 236 - so still und friedlich geht es im Jahr 501 nicht mehr zu. Die Vizekönigin greift gegen Filz und Korruption hart durch.
Milony Island im Februar 236 - so still und friedlich geht es im Jahr 501 nicht mehr zu. Die Vizekönigin greift gegen Filz und Korruption hart durch und ließ die alte Hafenzeile abreißen.

Mit einer in der Geschichte Nindas beispiellosen Entlassungs- und Verhaftungswelle räumt die neue Vizekönigin Luisa Amiratu in der Beamtenschaft von Süd-Ninda auf. Kritiker sprechen von einem Staatsstreich, doch Kaiser und Censor geben der Vizekönigin Rückendeckung.

Wappen von Luisa Amiratu, der 23. Vizekönigin der Vereinigten Provinzen von Süd-Ninda (Grafik: Nitramica Arts)
Wappen von Luisa Amiratu, der 23. Vizekönigin der Vereinigten Provinzen von Süd-Ninda (Grafik: Nitramica Arts)

Die neue Vizekönigin Luisa Amiratu ist erst seit einigen Tagen im Amt, machte aber von Anfang an durch einige ungewöhnliche Aktionen auf sich aufmerksam. Schon am ersten Arbeitstag als neues Staatsoberhaupt der Vereinigten Provinzen ließ sie die komplette Lehrerschaft der Stadt Milony Island fristlos entlassen und warf den örtlichen Schulleiter wegen Korruption ins Gefängnis, ebenso einige andere städtische Beamte. Die Vizekönigin wirft ihnen vor, über längere Zeiträume Sold kassiert zu haben, ohne dafür entsprechend zu arbeiten. Tatsächlich sind die Schulen von Milony Island seit etwa 10 Jahren geschlossen, weil die Räumlichkeiten als Geräteschuppen oder Pferdeställe genutzt worden waren, angeblich, weil andere Gebäude dafür nicht zur Verfügung standen. Luisa Amiratu, selbst Mutter, hatte diese Zustände schon früher kritisiert. Nun, da sie Vizekönigin ist, will sie das nicht länger tolerieren. Deshalb wies die Vizekönigin ihre Palastgarde an, die Schulen und Bibliotheken sofort gewaltsam zu entrümpeln. Sie ließ auch „besonders versiffte“ Hafenviertel in Milony Island räumen, enteignete deren Besitzer, ließ die Holzkaten niederbrennen und an ihrer Stelle provisorische Geräteschuppen und Ställe errichten.  Am gleichen Tag deckte sie beim Versuch, eine weitere Lagerhalle zu entrümpeln einen Skandal ungeheuren Ausmaßes auf: Ein seniler, eigentlich längst pensionierter Archivkurator hatte dort unter den Müllbergen Kunstwerke von unschätzbarem Wert gehortet, darunter das Originalmanuskript des berühmten Theaterstückes „Jodins Kind“ sowie einige bislang unbekannte Dramen des Dichters Timidin von Tristis. Auch verschollen geglaubte Gemälde aus dem ersten Kaiserreich kamen zum Vorschein sowie Antiquitäten aus dem 2. und 3. Jahrhundert. Vizekönigin Luisa ließ die Kunstschätze sicherstellen, das übrige Gerümpel ins Meer werfen. Der eigensinnige Pensionär wanderte in eine psychiatrische Anstalt,  danach warf die Vizekönigin auch die provinzialen Archivare und Bibliothekare ins Gefängnis, die das Vorgehen offenbar jahrelang gedeckt hatten.

Beim Besuch des örtlichen Gefängnisses stellte die Vizekönigin am folgenden Tag fest, dass dort viele Bürger ohne rechtsgültige Verfahren von den örtlichen Richtern und Staatsanwälten festgesetzt worden waren, teils über viele Jahre, darunter auch der ehemalige Leiter des Civinats. Nach einem öffentlichen Wutanfall der Vizekönigin wanderten auch der provinziale Lordrichter und der Oberstaatsanwalt hinter Gitter. Die Betroffenen müssen sich nun vor dem Kaiser in der Reichshauptstadt Julverne verantworten. Die Vizekönigin kündigte an, dass sie aufgrund der Vorkommnisse sämtliche Gerichtsurteile der vergangenen zehn Jahre persönlich durchsehen und überprüfen werde. Die komplette Justizverwaltung werde von ihr neu ernannt. Zur kommissarischen Lordrichterin der vereinigten Provinzen von Südninda ernannte Vizekönigin Luisa bis auf Weiteres ihre Freundin Kara Delica von Salis, die nitramische Botschafterin in Emolas, die eigentlich gerade ein Sabbatjahr macht. Gegen dieses Vorgehen protestierten die provinzialen Landstände bei Kaiser und Censor, wurden aber zurückgewiesen. Der Kaiser lobte die neue Vizekönigin ausdrücklich für ihren Kampf gegen Korruption und Misswirtschaft und kündigte harte Strafen im Falle von erwiesener Untreue oder Korruption an. Gleichzeitig ließ der Kaiser per Interdikt die Landstände und das Provinzialparlament auflösen. Bis zu den ohnehin längst überfälligen Neuwahlen regiert die Vizekönigin nun mit kaiserlichen Direktivvollmachten.

Das drastische Vorgehen der neuen Vizekönigin findet aber nicht nur beim kaiserlichen Hof, sondern auch in den Vereinigten Provinzen Befürworter. Ein Sprecher von Prinz Tim erklärte, das Haus Andunika begrüße das Engagement der neuen Vizekönigin und stelle gerne Hofgelehrte zur Verfügung, um eine Bildungsreform in die Wege zu leiten. Der Generalkurator der Nitramischen Archive in Schloss DeWinter zeigte sich schockiert über das Vorgehen seiner Kollegen in Milony Island und gelobte der Vizekönigin uneingeschränkte Unterstützung. Auch viele Eltern in Milony Island lobten die neue Vizekönigin für ihr hartes Vorgehen gegen das „marode Schulsystem“. Zwischenzeitlich haben die örtlichen Schulen unter Leitung von Prinz Tims Strategen Frederik Magnos den Betrieb wieder aufgenommen. Prinz Tim und die Vizekönigin stellten Bücher aus ihren Privatbibliotheken zur Verfügung, bis neue Schulbücher eingetroffen sind.

Vizekönigin Luisa kündigte auch an, einige besonders defizitäre Plantagen ihres Vorgängers Valens Anthist Palladorian roden oder ganz schließen zu lassen. Valens hatte sich zuletzt auf die militärische Absicherung und die landwirtschaftliche Erschließung der Provinzen konzentriert. Militärisch war Valens erfolgreich gewesen. Die landwirtschaftlichen Projekte waren in der Vergangenheit aber meist gescheitert und hatten der Staatskasse nur Verluste eingebracht. Insbesondere die wenig fruchtbaren Moringa-Pflanzungen in Papyrien möchte Vizekönigin Luisa nun schnellsmöglich roden lassen. Mit dem eingesparten Geld und den frei werdenden Arbeitskräften kündigte die Vizekönigin an, wolle sie die Städte in der Provinz renovieren lassen, insbesondere Milony Island, Tirocastris, Alexandretta und Delphinas.

Nils Kawomba
Über Nils Kawomba 194 Artikel
Nils Kawomba, ehemals Chefredakteur der NNZ (Neue Nitramische Zeitung), ist unser nitramischer Korrespondent in Ventadorn (Ninda).