Von der Zukunft

Gedanken zum Lebensweg
Gedanken zum Lebensweg

Zukunft gibt es nur, wenn man sie ermöglicht. Ohne Offenheit für die Zukunft gibt es keine Zukunft. Wer Utopien grundsätzlich verneint, dem bleibt nur noch der Untergang und die Katastrophe.

Für Helden gibt es keine Zukunft

Helden haben keine Zukunft. Es ist das Schicksal des klassischen Helden, tragisch zu enden. Im antiken Theater scheitert er am Widerstand der Götter oder an der Vorsehung. Für den (post)modernen Helden gibt es weder Götter, noch Schicksal, noch eine objektive Bestimmung, doch das Subjekt scheitert dennoch: an sich selbst oder an seiner mangelnden Offenheit für die sich wandelnde Welt. Denn Zukunft gibt es nur für den, der für sie offen ist, wer sich ihr verschließt, den schließt sie aus, so bleibt ihm nur der Untergang, womöglich ein heroischer, für den modernen Helden aber letztlich ein sinnloser, es sei denn, das Untergehen ansich ist der Sinn.

Blickt man in die mediale Welt und ihre neuerlichen Heroen, so gewinnt man fast den Eindruck, dass es sich so verhält: Den Untergang der abendländischen Zivilisation zitiert man mantragleich so oft, dass es gar nicht anders sein kann. Der Kataklysmus und die mit ihm verbundenen apokalyptischen Nachrichten sind sich selbst Sinn und Ziel. Daher kann ja alles nur noch schlimmer werden. Und das, so schwingt stillschweigend mit, muss auch so sein. Deshalb hilft man gleich mit oder inszeniert die Apokalypse gleich selbst in neuen, unheiligen Kriegsbildern, Gemälden des schlechthin Absurden. Denn für den modernen Menschen kann es ja gar keine reinigende Katharsis geben wie in der Antike, weil ja die göttliche Sphäre ausgeschlossen wird oder – wie gerade im Fundamentalismus – nur ein Schatten ihrer selbst ist. Insofern sind die täglich zelebrierten Realweltkatastrophen eine letztlich ganz selbstbezügliche Angelegenheit, ein seelenloser Götzendienst.

Der Weg in die Zukunft

Das Gegenmodell, die Utopie, malt dagegen ein unrealistisch rosarotes Bild: eine bessere Welt, die noch nicht ist. Dass sie sein kann und wünschenwert ist, ist aber ihre Botschaft: dass man einen Traum haben darf und soll, gerade auch dann, wenn die gegenwärtige Realität ganz anders aussieht. Die Utopie kreiert damit neue Möglichkeiten und somit auch ein bisschen Zukunft.

Nun ist es aber so, dass man mit allzu zielsicheren Vorgaben, selbst wenn sie gut gemeint sind, auf dem Weg in die Zukunft nur scheitern kann. Denn die Zukunft ist die Summe der Möglichkeiten, die man sich und anderen lässt. Nicht alle möglichen Wege führen zum Glück, aber umgekehrt ist die Zukunft sicher auch kein festgeschriebener Pfad, sondern ein unentdecktes Land. Denn man kann zwar zielsicher den Weg ins Unglück, ja in den Untergang bahnen – durch allzu hehre Ideale beispielsweise oder eine starre Ästhetisierung von Gesellschaft und Politik (wie schon Walter Benjamin wusste), aber Glück kann man eben nicht planen, es fällt einem zu und auch nur dann, wenn man eine gewisse Offenheit ermöglicht, um es überhaupt zuzulassen. Das verlangt bisweilen Kompromisse, was Idealisten gar nicht mögen.

Und wo das Glück einem zufällt, bleibt auch ganz offen, bis es geschieht, denn Glück ist kein festlegbarer Ort, sondern findet in einer ungenau umrissenen Fläche statt, irgendwo auf dem Weg, spontan, manchmal auch mehrmals, aber nie von Dauer. Um eine glückliche Zukunft zu ermöglichen muss man daher viele Wege gehen, Türen öffnen, statt welche zu schließen oder Wachen davor zu postieren, welche das Weiterkommen versperren. Und man muss einigermaßen beweglich bleiben, was eben nicht heißt, kompromislos eine bestimmte Linie zu verfolgen, oder gar dem „Fortschritt“ nachzurennen, sondern eben, sich flexibel auf das sich verändernde Leben einzugehen.

Utopien geben Träume und Ideenraster vor für Menschen, die noch auf dem Weg sind, die sich noch bewegen können und wollen. Um eine Utopie wahr werden zu lassen, kann es nötig sein, dafür zu sterben. Menschen, die das tun, sind Märtyrer. Wer halbwegs utopische Zustände allerdings selbst noch erleben will, muss mit Behutsamkeit vorgehen. Menschen, die solches tun, werden womöglich nie berühmt oder gar Helden werden, weil ihnen in ihrem Getrippel, im Auf und Ab, Hin und Her das heroische Ausharren oder Marschieren fehlt. Aber sie werden die Zukunft noch erleben.

Und ist nicht das das eigentliche Ziel des Leben: einfach LEBENDIG zu sein und es zu bleiben?

Über Martin Dühning 1519 Artikel
Martin Dühning, geb. 1975, studierte Germanistik, kath. Theologie und Geschichte in Freiburg im Breisgau sowie Informatik in Konstanz, arbeitet als Lehrkraft am Hochrhein-Gymnasium in Waldshut und ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von Anastratin.de.